Bevor wir der Grimselwelt und dem Haslital „uf Widerluege“ sagten, wollten wir noch einen der schönsten Klettersteige der Schweiz begehen. Der Tälli-Klettersteig ist der älteste “echte” Klettersteig der Schweiz und wurde 1993 angelegt. Für die Tour sollten 6-7 Stunden eingeplant, da das gesamte Bergmassiv des Tällistocks im Abstieg umrundet werden muss. Der Klettersteig selbst dauert ca. 2,5 – 3 Stunden und es müssen 600 Höhenmeter überwunden werden.
Wir starteten nach dem Frühstück im Bed & Breakfast Triftblick gegen 8 Uhr. Mit dem Auto fuhren wir zum Ausgangspunkt der Tällibahn nach Gadmen. Der Parkplatz war leer und wir packten in Ruhe die Klettersteigausrüstung zusammen. Leider war das Wetter bereits am Morgen sehr bewölkt und selbst die tiefen Gipfel der Berge hingen in Wolken.
Ein Helikopter flog gerade wieder einmal Gegenstände von A nach B und wir genossen noch einen Moment das Schauspiel. Immer wieder faszinierend, mit welcher Präzision die Piloten den Heli steuern können. Helikopterfliegen in der Schweiz muss wirklich Spaß machen.
Nachdem wir uns satt gesehen hatten, stiegen wir in die Gondel der Tällibahn und fuhren zum Startpunkt der Tour.
Die Fahrt mit der Tällibahn kostete 12 CHF / Person (Hin- und Rückfahrt). Die Bahn bedient man übrigens selbst. Einsteigen, Knopf drücken und ab geht die 10-minütige Fahrt zur Tällihütte.
Der Zustieg zum Klettersteig ist direkt an der Tällihütte ausgeschildert. Über die Terrasse gelangten wir zu einer Wiese auf der die Kühe gemütlich grasten.
Ein kleiner Pfad brachte uns bergauf.
Je höher wir kamen, desto näher kam jedoch auch die Wolkendecke. Wir waren gespannt, ob wir überhaupt am Klettersteig etwas sehen konnten.
Der Zustieg zum Klettersteig dauert ca. 1 Stunde und bis zu den ersten Drahtseilen hatten wir bereits gut 300 Höhenmeter zurückgelegt.
Die ersten Stahlseile kamen in Sicht und auf einem keinen Plateau legten wir die Klettersteigausrüstung an.
Auf den ersten Metern war jedoch das Einklicken für uns nicht notwendig, da das recht unkritische Gelände (A) gut begangen werden konnte.
Das Gelände ist anfangs zwar teilweise steil aber nicht gefährlich.
Am Fuße der Gadmerflue stiegen wir in die Felswand ein, traversierten die Wand entlang bis zu einer Rinne und stiegen mit Hilfe von ein paar Stahlpinnen steil aufwärts bis zur ersten von 14 Leitern (B).
Wir stiegen an der Leiter aufwärts und folgten dem Klettersteig gesichert nach rechts.
Um die horizontale Passage entlang der Felswand zu queren, halfen teilweise Stahlstifte. Meist nutzten wir jedoch die Reibung der Felsen. Eine spannende und luftige Passage mit Tiefblicken (B).
Über steile Felsstufen an denen wenige Stahlpinne im Felsen verankert waren, grasige Absätze und schmale Bänder gewannen wir gut gesichert an Höhe.
Eine Holzbank (auf ca. 2.240 m.ü.M.) lud nach ca. 1/3 des Steiges zum Rasten ein. Nur Aussicht hatten wir leider keine. Dafür fanden wir einen Geocache, der sich direkt auf dem Klettersteig befindet.
Der Klettersteig führte über Gehgelände zu einer weiteren Leiter, der wir durch eine Verschneidung nach oben folgten.
Entlang eines Bandes gelangten wir zu einem markanten Felsturm, den es nun durch eine Verschneidung zu besteigen galt (B). Ein luftiger Kletterspaß, allerdings ohne Sicht, denn wir waren mittlerweile in der Wolkenzone angekommen.
Über drei versetzt angeordnete Leitern überwanden wir eine glatte Felswand und kamen zum Beginn der so genannten Plattenzone.
Hier folgten einige sehr schöne ausgesetzte Passagen und richtiger Klettersteigspaß im Fels. Marcel war etwas traurig, dass er nichts sehen konnte, ich war gar nicht so traurig, dass die Tiefblicke nicht gegeben waren.
Über den anschließenden Grasrücken gelangten wir erneut in eine hohe Wandpartie, in der drei Leitern jeweils durch ausgesetzte Querungen miteinander verbunden waren.
Das anschließende Grasband führte uns in eine ausgesetzte Felspartie, wo nochmals eine Schlüsselstelle im Fels wartete und wir noch einmal eine Leiter zum Aufstieg über die Felspassage nutzten.
Eine ebene Grasfläche brachte uns zu der nächsten Leiter und zu einer schönen Kraxelei im felsigen Gelände.
Über Felspinne überwanden wir die steile Felspassage und erreichten die zweite Sitzbank, auf der man rasten und bei schönem Wetter auch die Aussicht genießen kann. Hier ist noch nicht das Ende des Klettersteigs, so wie wir erst vermutet hatten. Man hat jetzt aber 3/4 des Steigs bewältigt und kann sich in das Steigbuch eintragen.
Nach der kurzen Verschnaufpause liefen wir leicht abwärts zum Ausstieg über den „Freschkopf“. Fünf Leitern (bis B) und Felsstufen führten hinauf zum Ausstieg des Klettersteigs. Also noch einmal alle Kräfte mobilisieren und auf gehts.
Auf dem Gipfel der Gadmerflue befindet sich ein Bergführer-Monument, das als Gipfelkreuz dient. Hier endet der Klettersteig und man kann die Ausrüstung wegpacken und bei gutem Wetter einen tollen Blick über die Berglandschaft genießen.
Ein wirklich toller Klettersteig, den wir nur jedem empfehlen können. Nicht zu viel Metall im Fels und im top Zustand. Aufgrund der Länge sollte aber die Kondition vorhanden sein. Beim Abstieg folgten wir den blau-weißen Markierungen und den Steinmännern.
Über rutschige Schrofen und weglose Geröllfelder verloren wir schnell an Höhe.
Die Wolken lichteten sich ein wenig und gaben Blicke auf die Landschaft frei.
Begeistert waren wir immer wieder von den vielen bunten, filigranen Bergblumen, die nur eine kurze Zeit zum Blühen hatten.
Der Geröllweg ging nach knapp 1 Stunde in einen Graspfad über.
Ein Wegweiser weiste uns die Richtung zur Tällihütte.
Dem Pfad nach links Richtung Sätteli folgend, verloren wir leicht abwärts gehend weiter an Höhe.
Nach einiger Zeit ging die weiß-blau-weiße Markierung in eine weiß-rot-weiße Markierung über (1.930 Meter).
In der Ferne war bereits der lange letzte Anstieg zum Sätteli bis auf 2.119 Metern über Meereshöhe zu sehen.
Der kraftraubende Anstieg zum Sätteli verlangte uns noch einmal alles ab.
Nach einer weiteren Stunde erreichten wir das Sätteli (2.116 Meter) und folgten dem Wegweiser abwärts zur Tällihütte.
Die Wolken gaben einen Blick auf den gegenüberliegenden Gletscher frei und wir gelangten auf dem schmalen Pfad steil und teilweise in Kehren abwärts.
Nach einer halben Stunde wurde der Abstieg sanfter und nicht mehr so steil. Die Knie machten sich allerdings nach dem Klettersteig und dem recht langen Abstieg bemerkbar.
Wir erblickten die Tällihütte, die wir gegen halb 4 (Zeit insgesamt von Start bis Ziel: 6 Stunden) erreichten.
Von hier fuhren wir mit der Tällibahn zurück zum Parkplatz. Die Tällibahn kann übrigens von 7 Uhr bis 21:30 Uhr benutzt werden. Man hat also genügend Zeit für die Klettersteigtour.
Insgesamt ist der Abstieg sehr lang, da das ganze Tälli-Massiv umrundet wird. Unbedingt entsprechende Zeit einplanen.
Vom Tälli-Klettersteig stand jetzt noch eine ca. 1-stündige Fahrt nach Lauterbrunnen auf dem Schirm. Wir hatten zuerst überlegt, noch eine Nacht im Grimseltal zu verbringen, wollten aber gerne am nächsten Tag in Lauterbrunnen die Gegend erkunden und uns die Anreise am nächsten Tag sparen.
Unser Hotel „Staubbach“ befand sich in direkter Lage zum Staubbachwasserfall. Das Zimmer im dritten Stock hatte einen großen Balkon mit toller Aussicht auf den Wasserfall. Allerdings gab es keinen Sichtschutz zwischen den einzelnen Balkonen. Privatsphäre war nicht gegeben. Der größte Nachteil des Zimmers war allerdings die Hellhörigkeit. Man hörte leider alles. Vom Koffer öffnen der Nachbarn bis zur normalen Unterhaltung war alles zu hören. Auch das Schnarchen der Zimmernachbarn konnten wir durch die Wände hören. Aber dank Ohropax war zumindest ein Teil der Nacht zu überstehen.
Schön war, dass wir am Abend noch einer Blaskapelle lauschen konnten, die direkt gegenüber im Haus Übungsstunde hatte. Sie spielten zwar oft das gleiche aber gar nicht mal schlecht. Blutige Anfänger waren sie nicht.