In zahlreichen Tierdokumentationen hatten uns die beeindruckenden Moschusochsen fasziniert. Diese mal live in der Natur sehen zu können, ist nicht nur in Grönland, Alaska und im Norden Kanadas möglich. Auch der Dovrefjell-Sunndalsfjella-Nationalpark in Norwegen beherbergt die einzige Population von Moschusochsen in Europa. Sie starben während der letzten Eiszeit aus, wurden aber zwischen 1932 und 1953 aus Grönland wieder eingeführt. Innerhalb des Parks können sich die Moschusochsen frei bewegen. Außerdem können in dem Nationalpark auch wilde Rentiere gesichtet werden.
Die urtümlichen Riesen mit ihrem zotteligen Fell hatten es auch uns angetan und wir hatten zuerst überlegt, im Rahmen einer geführten Tour auf die Suche nach den Moschusochsen zu gehen. Zu Hause hatte ich mich den möglichen Aufenthaltsorten der Tiere beschäftigt und beschlossen, dass wir alleine durch den Dovrefjell wandern wollten. Da die Touranbieter eine fast 100%ige Garantie gaben, die Tiere zu sichten, hofften wir ebenfalls, die Tiere in dem etwa 1.700 m² großen Park anzutreffen. Man sollte sich allerdings darauf einstellen, einige Kilometer im Park zurücklegen zu müssen.
Wichtig ist, dass man genügend Abstand (200 Meter) zu den Moschusochsen hält und auf Signale der Tiere achtet, wann sie sich gestört fühlen. Moschusochsen haben generell keinen Fluchtinstinkt, sondern attackieren, wenn sie sich bedroht fühlen. Man befindet sich hier im Reich dieser Urtiere und sollte diesen respektvoll begegnen. Der Moschusochsencode gibt Aufschluss darüber, was man beachten sollte (Moschusochsencode nur auf Norwegisch).
Dasselbe gilt für die wilden Rentiere. Falls man sie entdeckt, bevor sie den Menschen entdecken, sollte man warten, bis die Tiere sich entfernen und nicht noch näher an sie herangehen. Eine Flucht kostet die Tiere viel Kraft.
Der gestrige Regen war abgezogen und mit Aufgang der Sonne fuhren wir vom Vågåvatnet Feriesenter in Vågåmo los zum Startpunkt der Wanderung in Kongsvoll.
Wir genossen die herrliche Fernsicht auf der noch menschenleeren Straße und hielten an einem Rastplatz kurz vor Erreichen unseres Zieles an.
Ein starker, kalter Wind blies uns ins Gesicht und wir zogen Mütze und Handschuhe an. Man, war das heute unangenehm.
Ein geteerter Weg führte uns zu einem Aussichtspunkt. Mit Glück kann man auch hier schon Moschusochsen sehen.
Da wir keine entdeckten, fuhren wir die letzten Kilometer auf der E6 nach Kongsvoll. Für den Ausblick hatte sich der Zwischenstopp dennoch gelohnt.
Viele Parkplätze gab es hier nicht aber am frühen Morgen hatten wir die freie Auswahl. Auch ein Bahnhof ist vorhanden.
Ausgestattet mit Teleobjektiv und Fernglas folgten wir dem GPS-Track vom Parkplatz (kostenlos) hinter dem Besucherzentrum entlang leicht abwärts bis zur Straße E6 und überquerten diese. Hinweisschilder entlang des Weges geben Aufschluss über die Verhaltensweisen gegenüber den Moschusochsen und wo sie am besten zu finden sind.
Ein schmaler Pfad führte uns weiter abwärts zu einer großen Holzbrücke, unter die der Fluss Svone rauschend ins Tal floss.
Wir unterquerten die Gleise der Eisenbahn und wanderten durch ein Gatter auf einem schmalen Pfad durch einen knorrigen Birkenwald aufwärts.
Entlang des ausgetretenen, matschigen Pfades sahen wir am Morgen zahlreiche Vögel, die in den Büschen die Beeren ab pickten. Fotografieren lassen wollte sich aber nur die Rotdrossel.
Da wir die Moschusochsen sehen wollten, marschierten wir weiter steil aufwärts durch den Wald.
Wir gewannen gut an Höhe und erreichten nach ca. einer halben Stunde die Baumgrenze auf ca. 1000 Meter Höhe.
Eine weite, karge Landschaft eröffnete sich uns und der beißende, kalte Wind begrüßte uns erneut. Warme und winddichte Kleidung sind im Dovrefjell-Sunndalsfjella-Nationalpark ein absolutes Muss. Das Wetter kann – wie überall in Norwegen – schnell umschlagen.
Beeindruckt von der gewaltigen Naturkulisse folgten wir dem Moschusochsenweg auf einem breiten, steinigen und nach den gestrigen Regenfällen auch teilweise matschigen Pfad leicht aufwärts. Gute, wasserdichte Wanderschuhe sind hier unabdingbar.
Marcel hielt immer wieder durch das Fernglas Ausschau nach den urzeitlichen Tieren, die bereits zur Zeit des Mammuts gelebt haben. Einige vermeintliche Moschusochsen wurden schnell als Steine enttarnt.
Wir genossen die fantastische Aussicht und das trockene Wetter.
Am Hang des vor uns befindlichen Berges Høgsnyta entdeckte Marcel unseren ersten Moschusochsen. Das schwarze Fell in dem hellgrauen Gestein hatte den Moschusochsen enttarnt. Sicher waren wir uns aber erst, nachdem ich das Tier auf der Kamera herangezoomt hatte und auf dem Rücken den typischen braunen Streifen des Moschusochsen entdeckte.
Moschusochsen passen sich optisch fast vollständig ihrer Umgebung an und erst, wenn sie sich bewegen, wird klar, dass es sich nicht um einen Stein handelt.
Weiter unten im Berghang des Høgsnyta, direkt an einem Wasserfall entdeckten wir eine ganze Moschusochsenfamilie und hatten diese nun als unser primäres Ziel auserkoren.
Im Dovrefjell ist es übrigens erlaubt, die Wege zu verlassen und querfeldein zu laufen. Immer wieder sahen wir schmale Pfade, die ab vom Moschusochsenweg führten.
Durch das sumpfige Tundragebiet stapften wir in Richtung der Moschusochsen. Dabei mussten wir einige Feuchtwiesen und Moorgebiete durchqueren. Gar nicht so einfach, einen halbwegs vernünftigen Weg zu finden.
Mit dem Fernglas suchten wir die Gegend um uns herum nach Moschusochsen in direkter Nähe ab. Aufschrecken wollten wir keines der Tiere. Das kann sehr gefährlich werden. Das Gebiet ist zum Glück sehr flach und weit einsehbar.
Wir kamen immer näher an die Moschusochsenherde heran und beobachteten die Tiere ganz genau. Vollkommen desinteressiert von unserer nahenden Ankunft grasten sie weiter.
Wir entdeckten zwei ausgewachsene Tiere und 4 Junge, die friedlich beieinander standen und fraßen. Moschusochsen können übrigens bis zu 1,50 Meter groß und 400 Kilogramm schwer werden. Mit einer Schnelligkeit von bis zu 60 km/h ist es unmöglich, im Falle eines Angriffs, den Tieren zu entkommen.
Der Bulle schaute uns einmal direkt an und sondierte die Lage. Wir blieben in Sichtweite stehen, damit sich die Moschusochsen an uns gewöhnen konnten und sie sahen, dass wir keine Gefahr für sie darstellten.
Langsam pirschten wir uns näher heran und achteten immer darauf, den Mindestabstand einzuhalten, um die Tiere nicht aufzuschrecken. Moschusochsen mögen übrigens keine Überraschungen. Am besten daher immer im Sichtfeld bleiben, damit sie einen sehen können.
Während die Herde weiter links des Wassers den Hang hinauf ging, begaben wir uns zu einem Wasserfall und liefen auf einem gut erkennbaren Pfad auf der rechten Seite des Flusses aufwärts. So hatten wir einen perfekten Abstand zu den Moschusochsen.
Die Flussquerung auf die rechte Seite war zum Glück kein Problem. Vermutlich laufen auf diesem Pfad auch die Touranbieter mit ihren Gästen entlang, denn nach einer reinen Tierspur sah der Pfad nicht aus.
Steil aufwärts folgten wir dem gut erkennbaren Pfad und konnten die Moschusochsen auf der anderen Flussseite in sicherer Entfernung grasen sehen. Mit dem Teleobjektiv und dem Fernglas waren die Tiere nun richtig gut zu erkennen. Wir freuten uns, dass wir schon nach so kurzer Suche von nur einer Stunde die Moschusochsen entdeckt hatten.
Ein weiterer Wanderer gesellte sich zu uns hinauf und beobachtete ebenfalls die Herde.
Wir setzten uns auf einen Stein und schauten den prähistorischen Moschusochsen mit ihrem zotteligen Fell beim Grasen zu. Absolut beeindruckende Tiere.
Auch die Aussicht ins Tal und auf die Berghänge des Rondane-Gebirges war nicht zu verachten.
Während die Moschusochsen im Hang höher zogen, wanderten auch wir weiter aufwärts. Gut 250 Höhenmeter sind vom Tal bis zu einem großen Steinmännchen am Høgsnyta zurückzulegen. Mein GPS-Track verlief nicht hierher aber auf der Wanderkarte war ein Weg zu erkennen, der immer am Fluss entlang führte.
Am Himmel entdeckten wir einen Steinadler, der sich vom starken Wind in die Ferne tragen ließ.
Wir wollten uns jedoch nicht noch weiter vom Parkplatz in Kongsvoll entfernen und beschlossen daher in weglosem Gelände auf dem breiten Rücken des Høgsnyta zurückzulaufen.
An einer windgeschützten Stelle legten wir eine kurze Rast ein. Bevor wir abstiegen, liefen wir noch einmal zum Rand des Berges und hielten nach weiteren Moschusochsen Ausschau.
Da wir keine sahen, wanderten wir weiter.
Mittlerweile war auch einer der Moschusochsen auf dem Hang angekommen und hatte sich direkt an dem Steinmännchen hingelegt.
Da wir auf jeden Fall den Mindestabstand von 200 Metern zu dem Tier einhalten wollten, gingen wir in einem großen Bogen um den Moschusochsen herum und folgten einer breiten, ebenen Fläche in Richtung Gipfel des Høgsnyta.
Den Gipfel selbst ließen wir rechts liegen und wanderten durch das unwegsame und steinige, weglose Gelände abwärts zum im Tal erkennbaren Moschusochsenweg.
Die letzten Meter ging es steil abwärts und wir waren froh als wir den Moschusochsenpfad erreichten.
Wir wanderten in Richtung Parkplatz und schreckten leider zwei Rentiere auf. Wir ließen die Tiere ein Stück weit in die Ferne ziehen und warteten, bis sie verschwunden waren.
Dem steinigen Pfad weiter folgend, entdeckten wir unweit des Moschusochsenweges einen weiteren Bullen, der friedlich nach Essbaren suchte.
Wir schossen noch ein paar Fotos von dem mächtigen Tier und beobachteten es eine Zeitlang.
Als es weiter landeinwärts zog, wanderten auch wir weiter.
Ständig ließen wir die Blicke in die Ferne schweifen und mussten aufpassen, nicht über die zahlreichen Steine auf dem Wanderweg zu stolpern.
Schnell gelangten wir abwärts und erreichten die Wegkreuzung, die wir auch auf dem Hinweg passiert hatten.
Nun folgten wir demselben breiten, ausgewaschenen Weg hinab bis zur Baumgrenze.
Durch den herbstlich gefärbten Birkenwald ging es steil abwärts bis zur Eisenbahnunterführung.
Wir überquerten die breite Holzbrücke und stiegen die letzten Meter hinauf zur Straße, wo wir nach ca. 5 Stunden und 12 Kilometern den Parkplatz ins Kongsvoll erreichten.
Für die Rückfahrt hatten wir beschlossen, erneut entlang einer der 18 norwegischen Landschaftsrouten zu fahren. Die Fahrt durch den Rondane Nationalpark führt durch eine Kulturlandschaft, die die Geschichte der Ansiedlung von Menschen in kargen Gebieten seit der Steinzeit erzählt. Rondane wurde 1962 als erster Nationalpark Norwegens eingerichtet. Dadurch nahm die Bedeutung der Gebirgsstraßen zu. Sie wurden nicht mehr ausschließlich für die wirtschaftlich genutzt, sondern wurden zu einem echten Naturerlebnis.
Von Kongsvoll bogen wir auf die 29 in Richtung Folldal ab. Ab hier peilten wir den ersten Aussichtspunkt Strømbu an und begaben uns auf die spannende Fahrt entlang der ca. 75 kilometerlangen Landschaftsroute Rondane.
Während im Dovrefjell-Sunndalsfjella-Nationalpark noch die Sonne geschienen hatte, hingen die Wolken auf der Gebirgsstraße niedrig und es begann zu regnen.
Der Fluss Atnelva war unser ständiger Begleiter und durch den Regen der letzten Tage ordentlich über die Ufer getreten.
Nach etwa 30 Kilometern erreichten wir den Rastplatz Strømbu. Der große Parkplatz gilt als eines der Haupteinfahrtstore zum Rondanegebirge und ist ein guter Ausgangspunkt für Wanderungen durch Norwegens ersten Nationalpark. Der Rastplatz mit Dachterrasse und Wärmehalle liegt direkt am Fluss Atnelva, der sich durch Kiefernwälder und Sandbänke schlängelt.
Für eine Wanderung war es bereits zu spät und so spazierten wir ein wenig entlang des Flusses und genossen den farbenprächtigen Ausblick auf die wunderschöne Landschaft. Auch hier hatte der Fluss die Wanderwege teilweise unterspült.
Die Brücke hinüber auf die andere Seite war bereits für diese Saison gesperrt und somit wanderten wir von hier zurück zum Parkplatz. Bevor der nächste Regenschauer einsetzte, fuhren wir weiter.
Am Aussichtspunkt Sohlbergplassen stoppten wir erneut und liefen auf einem futuristischen Fußgängerweg (barrierefrei) zur Aussichtsplattform, der sich an schlanken Kiefern vorbeischlängelte. Die Plattform bot uns erneut einen zauberhaften Blick auf den See Atnsjøen und die runden Berge von Rondane, deren Gipfel wolkenverhangen waren.
Die Landschaftsroute führte uns zum Gebiet um Atnbru. Das Atnbrufossen Vannbruksmuseum war früher ein altes Sägewerk mit Flößerei und Kraftwerk und wird heute für Ausstellungen und Konzerte genutzt. Auf einen Ausstieg verzichteten wir, da das Museum bereits geschlossen war.
Stattdessen genossen wir die beeindruckende Gebirgslandschaft.
Während die Landschaftsroute Rondanen noch einen Abstecher zur Sollia Kirche vorsieht, fuhren wir immer höher in die Berge und stoppten an einem kleinen Rastplatz.
Auch hier eröffnete sich uns erneut die fantastische norwegische und karge Welt der Berge. Der höchste Punkt auf der Landschaftsroute Rondane liegt übrigens auf ca. 1.060 Metern Höhe.
Da es draußen immer kälter und windiger wurde, peilten wir vom Rastplatz unsere Unterkunft Vågåvatnet Feriesenter in Vågåmo an und fuhren auf direktem Weg ins Warme.
Bei einem gemütlichen Feuer vor dem Kamin ließen wir den erlebnisreichen Tag ausklingen.