Kiew: Ausflug nach Tschernobyl

Mehr als 30 Jahre sind seit der größten Nuklearkatastrophe Europas vergangen. Das Reaktorunglück von Tschernobyl ereignete sich am 26. April 1986 in Reaktor 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl nahe der 1970 gegründeten ukrainischen Stadt Prypjat. Seit 2011 ist die Geisterstadt Prypjat und die Sperrzone um das Atomkraftwerk Tschernobyl für den Tourismus im Rahmen einer geführten Tour zugänglich.

Für uns war klar, wenn wir nach Kiew fliegen, möchten wir uns den Ort, der durch die Reaktorkatastrophe in den 80er Jahren traurige Bekanntheit erlangt hat, ansehen. Der GAU hat damals ein Stück weit unsere Kindheit geprägt hat, denn die mit dem Rauch in große Höhe gelangte Radioaktivität wurde nach Westen getrieben und bewirkte einen radioaktiven Niederschlag (Fallout) über Nord- und Mitteleuropa. Das hieß für uns als Kinder, nicht bei Regen nach draußen gehen und keine Pilze im Wald sammeln. „Tschernobyl“ wurde zum Synonym für Gefahren der Kernenergie und die unabsehbaren Folgen eines Super-GAUs.

Der Anbieter „Chernobyl Tour“ bietet für 99 Euro / Person einen Ganztagesausflug nach Tschernobyl und nach Pripjat an, der nächstgelegenen Stadt am Atomkraftwerk Tschernobyl mit dem bekannten Riesenrad.

Bereits zu Hause hatten wir daher die Tickets für den heutigen Tag gebucht. Gerne hätte ich auch einen Geigerzähler für 10 Euro mitgemietet aber die waren leider schon alle ausgebucht. Da ich allerdings heute meinen Geburtstag feierte, kam ich immerhin in den Genuss eines 10%-Gutscheins (wobei mir ein Geigerzähler lieber gewesen wäre 😁)

Mit dem Uber ließen wir uns um 7 Uhr morgens zum Bahnhof von Kiew fahren. Von hier starten die zahlreichen Busse des Touranbieters. An der Bustür hingen Listen mit den jeweiligen Namen der Teilnehmer. 

Am dritten Bus wurden auch wir fündig, stiegen ein und bezahlten den Preis bei unseren beiden Tourguides. 

Der Bus war gut gefüllt und pünktlich um 8 Uhr startete die Fahrt Richtung Sperrzone. Unbedingt den Reisepass dabei haben, denn an der ersten Schranke wird man von Mitarbeitern der Regierung kontrolliert.

Wir hatten Glück und waren mit einer der ersten Touristenbusse, die die erste Kontrolle passieren durften.

Eine kurze Pause hinter der Schranke konnte zum Beine vertreten genutzt werden. 

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Wir bekamen außerdem einen kleinen Geigerzähler ausgehändigt, mit dem die Regierung wohl die Strahlung vor Ort messen möchte. Laut unserer Guides sind die Teile jedoch noch aus den 80er Jahren und messen dementsprechend schlecht.

Unsere Guides schalteten nun auch ihre Dosimeter an und sofort begannen diese zu piepen. Dies liegt daran, dass die Werte zur Messung der Strahlung recht gering voreingestellt sind und daher schon bei 0,2 Mirkosievert/Stunde (µSv/h) ausschlagen.

Wir stiegen wieder in den Bus und gelangten zur 30 Kilometer-Sperrzone; dem Kontrollpunkt „Ditjatki“.

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An einem Seitenstreifen hielten wir an und hatten nun eine halbe Stunde Zeit das verlassene Dorf Salesje auf eigene Faust zu entdecken.

Häuser, von denen die Farbe abblätterte, kaputte Glasscheiben, alte Zeitungen und diverse Alltagsgegenstände fanden wir hier vor. Was davon wirklich vor 30 Jahren zurückgeblieben ist und was Touristen extra für Fotos in Szene gesetzt hatten, lässt sich nicht erkennen. Fakt ist; es ist interessant, was sich die Natur in all den Jahren und trotz der vorhandenen Reststrahlung zurückerobert hat.

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Ein wenig Vorsicht ist geboten, denn offiziell ist ein Betreten der Häuser aus Sicherheitsgründen untersagt. Manche sind schon so verfallen, dass auch wir davon Abstand nahmen, hineinzugehen. Wer möchte schon die Decke auf den Kopf bekommen?

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Wir liefen durch das Geisterdorf und besichtigten einige der zerfallenen Häuser und versetzten uns in die Lage der Menschen, die damals all ihr Hab und Gut zurücklassen mussten. Wirklich vorstellen kann man sich so etwas nicht 😥.

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Bevor weitere Reisebusse eintrafen, stiegen wir wieder ein und fuhren ein paar Meter weiter zum Dorf Kopatschi. Dort besichtigten wir nicht nur den ehemaligen Kindergarten, sondern bekamen auch gezeigt, wie stark das Dosimeter an einigen Stellen noch ausschlägt. 

Während der Geigerzähler auf dem Betonboden eine geringe Strahlenbelastung von 7-8 µSv/h anzeigte, schlug er an einer bestimmten Stelle unterhalb eines Baumes fast bis auf 200 µSv/h (Mikrosievert pro Stunde). Man soll daher während der Tour vermeiden, auf Gras oder Erdboden zu laufen, da diese von den Liquidatoren – im Gegensatz zum Beton – nicht gereinigt werden konnten.

Der Hauptteil der Strahlung stammt heute von Cäsium-137. Während der Katastrophe herrschten hier Intensitäten von bis zu einigen 10 Sv/h (=10.000.000 µSv/h) , tödlich innerhalb von 5 – 30 Minuten. In Deutschland ist man einer jährlichen effektiven Dosis von durchschnittlich 2,1 Millisievert (=2.100 µSv/h) ausgesetzt.

Mit zahlreichen weiteren Touristen erkundeten wir den ehemaligen Kindergarten. Das Gepiepse der Dosimeter lässt einem die unsichtbare Gefahr der Strahlung erkennbar machen.

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Wir waren erleichtert als wir wieder draußen im Freien waren.

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Neben dem Kindergarten befindet sich hier auch ein Denkmal, das an die Befreiung von der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg erinnert.

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Wir stiegen wieder in den Bus und erreichten die Schranke zur 10-Kilometer-Sperrzone. Erneut gab es eine kurze Pinkelpause.

Über eine neu angelegte Straße für den Tourismus, fuhren wir weiter nach Prypjat. In der Ferne war bereits der Sarkophag des havarierten Reaktors 4 zu sehen.

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Am Ortseingangsschild von Prypjat durften wir noch ein paar Fotos machen. Schon komisch hier mitten im Nirgendwo vor den Schildern zu stehen, die vor radioaktiver Belastung warnen. Zwischendurch haben wir uns doch einige Male gefragt, ob wir eigentlich ganz normal sind, in ein Gebiet zu fahren, dass Schauplatz einer solch nuklearen Katastrophe war. Andererseits ist da aber auch die Neugier, wie es 30 Jahre später nach der Atomkatastrophe aussah.

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Dann erreichten wir die ersten Häuser von Prypjat. Vor der Schranke zum Sperrgebiet der Stadt besteht die letzte Möglichkeit für die nächsten beiden Stunden seine Blase zu erleichtern. In Prypjat selbst gibt es keine Möglichkeit auf die Toilette zu gehen.

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Die Stadt wurde 1970 im Zusammenhang mit dem Bau des Kernkraftwerks Tschernobyl gegründet. Zum Zeitpunkt der Katastrophe am 26. April 1986 wohnten hier etwa 50.000 Menschen, darunter ca. 15.500 Kinder. Die Stadt wurde nach dem Unglück innerhalb von nur drei Stunden evakuiert.

Aufgrund des schleppenden Informations- und Notfallmanagements wurde Prypjat erst 36 Stunden nach dem Reaktorunfall evakuiert. Dadurch wurden viele Anwohner einer hohen Strahlung ausgesetzt und litten an Spätfolgen. Gegen Mittag des 27. April wurde eine kurze Radionachricht gesendet, in der die Bevölkerung aufgefordert wurde, sich auf eine dreitägige Abwesenheit einzurichten. Die Evakuierung erfolgte ab 14 Uhr und wurde mit ca. 1200 Bussen innerhalb von zweieinhalb Stunden durchgeführt.

Durch den Unfall wurde Prypjat mehrmals und durch unterschiedliche radioaktive Stoffe kontaminiert. Dank günstiger Winde fand die stärkste Kontaminierung der Stadt durch radioaktive Niederschläge jedoch erst nach der Evakuierung – zwischen dem 27. und 29. April – statt.

Dekontaminierungsaktivitäten wurden überall in der Stadt durchgeführt, wobei die ausführlichsten Arbeiten in Mikrodistrikt 4 stattfanden. Die Arbeiten wurden in verschiedenen Phasen unternommen und reduzierten die durchschnittliche radioaktive Belastung in der Stadt von schätzungsweise 200-400 µSv/h (Mikrosievert pro Stunde) auf 28 µSv/h im Dezember 1986.

Auf kleinen Trampelpfaden lief unsere Gruppe an den Hochhäusern vorbei bis zu einem Kindergarten.

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Wir gingen durch die einzelnen Zimmer und Flure und entdeckten überall verstreut ehemalige Zeitzeugen des Reaktorunglücks. Spielzeuge sowie andere persönliche Dinge sind immer noch genau da, wo sie zurückgelassen wurden.

Feste Schuhe sind ein Muss, denn auf dem Boden liegen haufenweise Glasscherben, rostige Nägel und anderes Zeugs rum.

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Vom Kindergarten begaben wir uns zu den Wohnblöcken, von denen es in den verschiedenen Mikrodistrikten insgesamt 149 gab. Da die Bewohner in dem Glauben gelassen wurden, bald wieder nach Hause zu können, stehen viele Gebäude noch im Originalzustand. Allerdings kam es im Laufe der Zeit zu Vandalismus und Plünderungen. So wurden Wohnungen nach der Evakuierung ausgeraubt und beschädigt. Daneben besteht zunehmend die Gefahr, dass der wachsende Tourismus seine Spuren hinterlässt.

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Erneut hatten wir Zeit, die ehemaligen Wohnhäuser auf eigene Faust zu erkunden. Nur aufs Dach gehen wurde nicht empfohlen, denn nach all den Jahren sind die bröckelnden Gebäude und verfaulten Holzböden in den Gebäuden eine echte Gefahr geworden. Vorsicht beim Begehen ist also geboten!

Wir liefen zwei Etagen hinauf und schauten uns in den alten Wohnungen um. Teilweise standen sogar noch Betten, Tische und alte Küchenmöbel herum.

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Zurückversetzt in die Sowjetzeit begaben wir uns zurück nach draußen zu unserem Treffpunkt. Bäume und Büsche erobern sich das Land zurück. Selbst die Vögel zwitscherten an diesem milden Frühlingstag.

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Am nie eröffneten Stadion legten wir einen kurzen Stopp ein. Das Betreten des Schwimmbads ist hingegen nicht mehr erlaubt.

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Nur ein paar Meter vom Stadion entfernt befindet sich der Rummelplatz mit dem berühmten Riesenrad, dass als Symbol für die Katastrophe steht. Der Rummel sollte am 1. Mai 1986 eröffnet werden, wozu es wegen der Reaktorkatastrophe nicht mehr kam, da die Stadt am 27. April 1986 evakuiert wurde.

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Das die Strahlung immer noch allgegenwärtig ist, zeigte uns unser Guide. An einer Stelle am Riesenrad betrug der Wert 396,6 µSv (Mikrosievert). Warum der Wert gerade an dieser Stelle so hoch ist, ist nicht zu erklären.

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Nur ein paar Zentimeter von der kontamierten Stelle entfernt betrug die Strahlenbelastung nur noch 5 µSv (=0,005 Millisievert). Zum Vergleich; ein Flug von Frankfurt nach New York und zurück führt zu einer durchschnittlichen effektiven Dosis von ca. 100 µSv (Mikrosievert).

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Auf der Website des Bundesamts für Strahlenschutz gibt es eine Tabelle mit den Grenzwerten, die als normal bzw. gefährlich oder tödlich eingestuft werden. Die knapp 400 µSv/h stellen dabei den Grenzwert (maximal zulässige Dosis) für beruflich strahlenexponierte Personen in Deutschland dar. Also für uns alles im grünen Bereich während des kurzen Aufenthalts. Gefährlich wird es für den Menschen erst ab einer Dosis von 0,2 Sievert (200.000 µSv) und ein tödliches Risiko besteht sogar erst bei einer Strahlenbelastung ab 1 Sievert (1.000.000 µSv).

Wir hatten nun noch ein wenig Zeit, um uns den Rummelplatz anzugucken.

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Vorbei an einem alten Karussell, dass sich im Wind, quietschend drehte, gelangten wir zu den Autoscootern. Hier hätte ich gerne mit einem eigenen Geigerzähler mal getestet, wie hoch die Strahlung an dem Metall ist.

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Immer mehr Touristengruppen gesellten sich auf den Rummelplatz und wir begaben uns daher weiter zum ehemaligen Theater. Wir warfen einen Blick hinter die Kulissen und liefen über den großen Platz weiter zum verlassenen Supermarkt.

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Auch hier sind noch allerhand Gegenstände zu finden, die aus damaligen Zeiten zu stammen schienen.

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Das letzte Ziel unserer Tour durch Prypjat war der ehemalige Betreiber des Atomkraftswerks Tschernobyl. Das Gebäude befindet sich nicht in einem schlechteren Zustand als so manch verlassener Ort in Deutschland.

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Wir ließen den Blick noch einmal über das offene Gelände schweifen und waren nachdenklich gestimmt, dass eine Stadt seit über 30 Jahren aufgrund immer noch vorhandener Strahlung weiterhin unbewohnbar ist.

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Zusammen mit der anderen Hälfte unserer Gruppe fuhren wir zum Herzstück der Reaktorkatastrophe – dem Reaktor 4 des Atomkraftwerks.

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Wir waren überrascht, wie nah wir doch an den havarierten Reaktor herangehen konnten, ohne uns einer kritischen Strahlenbelastung auszusetzen. Der Geigerzähler zeigte einen niedrigen Wert zwischen 0,4 und 0,8 µSv (Mikrosievert) an.

Der neue Sarkophag, der den alten Betonsarkophag im Jahr 2016 abgelöst hat, garantiere hundert Jahre Sicherheit vor radioaktiver Strahlung.

Vor dem Reaktor befindet sich ein Denkmal für die Liquidatoren von Tschernobyl. Die Liquidatoren waren für die Eindämmung des Unglücks nach der Reaktorkatastrophe zuständig, um die ionisierende Strahlung zu „liquidieren“. Nach Angaben der WHO gab es 600.000 bis 800.000 Liquidatoren.

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Im engeren Sinn werden als Liquidatoren die Beschäftigten bezeichnet, die vom Dach des benachbarten Reaktorblocks 3 stark strahlenden Schutt und Graphitblöcke entfernen mussten, die vom Druck der Explosion des Blocks 4 dorthin geschleudert worden waren. Aber auch alle anderen Beschäftigten, die bspw. an der Evakuierung der Bevölkerung, dem Waschen der Städte und der verstrahlten Umgebung beteiligt oder dem Bau eines Betonsarkophags waren (z. B. Feuerwehrleute, Arbeiter sowie Angehörige des Militärs, Bauarbeiter, Bergarbeiter, medizinisches Personal und eine 300 Mann starke Brigade des Zivilschutzes aus Kiew, die die kontaminierte Erde abtrug) werden als Liquidatoren betrachtet.

Die Gesamtzahl der bisher gestorbenen Liquidatoren wird auf 50.000 geschätzt. Ein bedrückender Ort.

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Da wir bereits 13 Uhr hatten, wurde es nun Zeit für unser Mittagessen in der Kantine direkt in der Nähe des havarierten Reaktors. Bevor wir uns das Kantinenessen schmecken lassen konnten, mussten wir uns einem Kontaminationstest unterziehen.

Dazu mussten wir uns in eine Art Metalldetektor begeben –  den man auch von Flughäfen kennt – unsere Hände seitlich auflegen und warten, bis uns das Gerät anzeigt, dass wir kein radioaktives Material an uns haben (die zweite Lampe leuchtet auf). Erst dann geht die Sicherheitsschranke auf und man darf durchgehen. Unser Guide erklärte uns, dass er bis jetzt noch nie erlebt hätte, dass das Gerät bei einem seiner Gäste ausgeschlagen hätte. Ein komisches Gefühl ist es trotzdem, in dem Kontaminationsprüfgerät zu stehen und darauf zu hoffen, dass man auch durchgehen darf.

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In der Kantine hatten sich bereits alle heutigen Touristengruppen und einige wenige Mitarbeiter des Atomkraftswerks eingefunden. Tische waren kaum noch welche frei. Man fühlt sich doch irgendwie fehl am Platze, wenn man überlegt, dass es einerseits die Menschen gibt, die hier tagtäglich ihr Leben riskieren und arbeiten und andererseits die Touristen, die in Scharen auflaufen, um sich das Spektakel anzusehen.

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Das Essen ist kantinenmäßig gewöhnungsbedürftig. Zur Auswahl standen kalte Spaghetti mit irgendeiner Soße oder Kartoffelpüree mit Geschnetzeltem. Dazu gab es einen Salat, Brot und etwas Süßes zum Nachtisch. Die kulinarlische Erfüllung war es nicht und wir würden empfehlen, lieber selbst etwas zum Essen einzupacken.

Nach dem Mittagessen gingen wir noch ein wenig an die frische Luft (wenn man davon ironischerweise in einem Gebiet mit Strahlenbelastung sprechen kann) und unternahmen einen kleinen Verdauungsspaziergang.

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Um 14:30 Uhr trafen wir uns wieder am Bus und fuhren zu einem ehemaligen Raketenabwehrsystem, dass sich in unmittelbarer Nähe zum Atomkraftwerk befindet. Das größte Radarsystem der Welt namens „Duga“ erzeugte ein Kurzwellensignal, mit dem ein möglicher Start von Raketen im europäischen und amerikanischen Raum frühzeitig erkannt werden sollte.

Das Radarsystem Duga-1 war das Herzstück der sowjetischen Atomkriegspolitik, denn die einstige Sowjetunion besaß keinen interkontinentalen Raketenabwehrschild. Dafür aber die aus rund 50 Großantennen bestehende Sendeanalge, die mit einer Reichweite von 9.000 Kilometern einem atomaren Schlag der USA oder Europa rechtzeitig hätte entgegen kommen können. Bis New York sind es von Tschernobyl lediglich 7.500 Kilometer Luftlinie.

Aber dann kam der 26. April 1986, und Duga-1 musste aufgegeben werden.

Heute kann die riesige Anlage nach einem kurzen Fußmarsch von Touristen besucht werden und genau dorthin begaben wir uns nun. Getarnt war Duga-1 laut unserem Guide als Jugendferienheim. Von der Bushaltestellenwand an der Einfahrt zum Radarsystem begrüßte uns eine bunte Figur.

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Der Wind, der durch die Masten und Sendedrähte rauscht, erzeugt ein Surren, dass bereits von Weitem zu hören war. Es klingt, als sei das Gerät immer noch in Betrieb.

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Voller Ehrfurcht schauen wir nach oben und waren beeindruckt von dem mächtigen Bau aus Sowjetzeiten.

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Gemeinsam mit den Guides gingen wir durch die alten Kontrollanlagen.

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Auch hier liegt allerhand Elektroschrott aus längst vergangenen Zeiten.

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Neben dem Besuch des Atomkraftwerks und der Stadt Prypjat ist der Ausflug zu Duga-1 ein echtes Highlight. Wann bekommt man schon einmal die Möglichkeit, ein ehemaliges Radarsystem in so gut erhaltenem Zustand zu besichtigen?

Wir liefen durch die verlassenen Gebäude bis zum ehemaligen Kontrollraum.

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Wir begaben uns ins Freie und liefen hinter den Gebäuden zurück zum Ausgang.

Auch hier gab es noch allerhand zu entdecken. Jede Menge Elektro- und Metallschrott, vergessene Gasmasken und Wandmalereien aus Sowjetzeiten.

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Nachdem wir unseren Rundgang beendet hatten, begaben wir uns zum Bus. Viel Zeit für den Besuch der Stadt Tschernobyl hatten wir nicht mehr, denn um 20 Uhr war Schicht. Alle Touristengruppen mussten die militärische Sicherheitszone bis dahin verlassen haben.

Wir stoppten daher noch kurz an den alten Robotern, die damals zum Abtransport des radioaktiven Mülls eingesetzt werden sollten. Die Maschinen sind immer noch so stark kontaminiert, dass sie nicht mehr genutzt werden können.

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Am Denkmal für die Helden und Feuerwehrleute von Tschernobyl legten wir erneut einen kurzen Fotostopp ein.

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Mit dem Bus fuhren wir durch die leeren Straßen Tschernobyls.

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An einem der letzten Lenin-Denkmäler der Ukraine wendeten wir und fuhren zurück zu den Schranken der Sperrzonen.

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Hier mussten wir uns abermals einer Kontaminierungsprüfung unterziehen. Auch diesmal lief alles reibungslos. Niemand hatte radioaktives Material mit sich herumgetragen und alle durften den Detektor passieren.

Wir gelangten zur letzten Schranke und hatten an einem Souvenirstand noch die Möglichkeit uns mit allerhand Krims Krams einzudecken. Ein Magnet von hier war natürlich obligatorisch. Ansonsten gab es jedoch nichts, dass mich persönlich noch gereizt hätte.

Stattdessen genossen wir den Sonnenuntergang vor der Sperrzone und fuhren mit vielen Eindrücken zurück nach Kiew.

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Am Bahnhof von Kiew verabschiedeten wir uns von den Guides und dem Busfahrer und gingen in einer nahegelegenen Pizzabude noch einen Happen essen. Wirklich satt waren wir vom Kantinenessen nicht geworden.

Mit dem Uber fuhren wir müde und ein wenig nachdenklich zurück zum Hotel. Bereits am nächsten Morgen ging es schon wieder zurück nach Hause. Ein wirklich interessanter Tag neigte sich dem Ende, der uns natürlich auch an die vielen Menschen denken ließ, die damals innerhalb kürzester Zeit einfach ihr Hab und Gut zurücklassen mussten. Anstatt zurückkehren zu können, wurden Sie bei fremden Menschen einquartiert und mussten sich von Heute auf Morgen auf ein neues Leben einlassen.

Einen Besuch in der Geisterstadt und dem havarierten Atomkraftwerk können wir dennoch empfehlen. Es gibt nicht viele Orte wie diese auf der Welt, die gefahrlos betreten werden können.

Durch die von Mai bis Juni 2019 ausgestrahlte und vom Publikum sehr gut aufgenommene Miniserie Chernobyl auf Sky ist der Tourismus in der Region nach Angaben der Tourismus-Veranstalter um weitere 30 bis 40 Prozent gestiegen. Es bleibt abzuwarten, wie mit dem steigenden Tourismus umgegangen wird.

Übrigens: Am Ende der Tour erhielten ein Zertifikat vom Veranstalter, auf dem der Durchschnittswert der heutigen Strahlenbelastung eingetragen war: 3 Mikrosievert (0,003 mSv).