Der heutige Tag versprach nicht nur spektakulär zu werden, sondern auch sehr lang. Allerdings starteten wir auch heute nicht vor zehn Uhr. Daran mussten wir uns erstmal gewöhnen. Unser erster Punkt, der auf unserer Liste stand, waren die Singing Dunes im Altyn-Emel-Nationalpark.
Die Fahrt von Baschi bis zu den Singing Dunes beträgt ca. 1 Stunde.
Die ca. 180 Meter und über 3 Kilometer lange Sanddüne, die sich mitten im Nirgendwo des Altyn-Emel-Nationalpark befindet, verdankt ihren Namen der Tatsache, dass man den Sand „singen“ hören soll, sobald man über den Kamm läuft oder auf der östlichen Seite nach unten rutscht. Das „Singen“ soll jedoch eher an ein Dröhnen oder Summen, dass dem Start eines Flugzeugs nahekommt, erinnern. Allerdings müssen dafür die Wetterbedinungen (Trockenheit, Windrichtung etc.) stimmen.
Wir genossen erneut die fantastische Landschaft und erreichten nach 45-minütger Fahrt auf der Piste die erste Schranke. Hier bezahlte Giorgi den Eintrittspreis für den Nationalpark und wir schossen ein paar Fotos.
An einer zweiten Schranke mussten die Dokumente zum Besuch des Nationalparks noch einmal vorgezeigt werden.
Von hier waren es nur noch wenige Kilometer Fahrt bis zum Fuß der Düne.
Der Ili-Sand wird durch die zwei Winde aus Osten und Westen genau an diesen Ort getragen. Die Düne erodiert und wandert nicht und befindet sich seit unzähligen Jahren genau hier.
Die Temperatur war mittlerweile auf 35° Celsius gestiegen und es wartete kein bisschen Schatten auf uns. Dennoch wollten Marcel und ich die Spitze der Düne erklimmen. Der Start des kurzen aber sehr anstrengenden Aufstiegs beginnt bei 800 Meter über dem Meeresspiegel.
Gemeinsam mit Giorgi liefen wir durch den heißen Sand und waren abermals begeistert von der Landschaft im Altyn-Emel-Nationalpark. Bis jetzt ein echtes Highlight unseres Kasachstans-Aufenthalts.
Giorgi kam allerdings nicht mit auf die Düne, sondern zeigte uns den Einstieg und wartete dann im Auto auf uns. Kein schlechter Plan, denn es war wirklich brutal heiß heute.
Mit 0,5 Litern Wasser gewappnet nahmen wir den steilen, sandigen Anstieg nach oben in Angriff. Der Wind pfiff uns nicht nur um die Ohren, sondern staubte auch die Kamera zu. Dadurch kam uns die Hitze jedoch nicht so extrem vor.
Der Puls schoss dennoch in die Höhe und wir mussten immer wieder nach ein paar Schritten Trinkpausen einlegen. Da Marcel aufs Wasser verzichtete, teilte ich mir die paar verbleibenden Tropfen gut ein.
Wir gelangten höher und höher und konnten einen tollen Rundumblick auf die sich uns eröffnende Landschaft des Ili-Tals genießen.
Wir konnten jedoch weder ein Dröhnen noch ein Summen vernehmen. Nur der starke Wind, der uns gnadenlos mit Sand voll pustete.
Nach 80 zurückgelegten Höhenmetern erreichten wir den obersten Punkt der Düne auf 880 Metern. Der extreme Wind und die deutlich spürbare Hitze ließen uns nach zahlreichen Fotos von der Umgebung schnell wieder absteigen.
Ich zog es vor, meine Schuhe auszuziehen, da ich so besser vorankam. Der Sand war allerdings sehr heiß und ich musste mich recht schnell abwärts begeben.
Froh wieder unten angekommen zu sein, begaben wir uns zurück zum Auto. Die Wasserflasche war natürlich mittlerweile leer und nachdem wir den Sand aus den Schuhen gekippt hatten, stiegen wir ins vorgekühlte Auto und fuhren zurück zum Ausgang des Parks.
Eine wirklich unsagbar tolle Landschaft. Nicht nur die Aktau und Katutau Berge hatten uns verzaubert, auch die Singing Dunes hatten uns vollends begeistert. Einen Besuch des Altyn-Emel-Nationalparks können wir nur jedem Kasachstan-Besucher absolut empfehlen.
Auf selber Piste wie wir gekommen fahren, fuhren wir zurück zum Ausgang des Nationalparks. Wir genossen ein letztes Mal die landschaftliche Kulisse und fuhren von der Schotterpiste auf eine asphaltierte Straße ab.
3 Stunden Autofahrt lagen nun bis zur Zharkent-Moschee vor uns. Giorgi ließ es sich natürlich nicht nehmen, uns wieder ordentlich mit Musik zuzubeschallen. Das kann bei 3 Stunden ganz schön anstrengend werden. Zumal man da auch nicht schlafen kann. Auch Marcels etliche Versuche, die Musik auf ein für uns etwas erträglicheres Niveau herunterzufahren, liefen ins Leere. Da war Giorgi recht resistent.
Ich schaute aus dem Fenster und genoss trotzdem die vorbeirauschende Landschaft.
In Scharkent angekommen, stellte Giorgi das Auto außerhalb der Moschee ab, die auf uns – bis auf das Eingangstor – gar nicht wie eine Moschee, sondern eher wie ein chinesischer Tempel wirkte.
Die Scharkenter Moschee wurde vom chinesischen Architekten Chon Pik zwischen 1887 und 1892 erbaut und dient heute nur noch als Museum.
Draußen war die Temperatur weiter gestiegen und wir waren froh, als es ins Innere der riesigen Moschee ging.
Wir schauten uns in Ruhe um und liefen nach der kurzen Stippvisite zurück zum Auto.
Erneut lagen zwei Stunden Autofahrt bis zum Scharyn Canyon vor uns.
Das Wetter wurde sichtbar schlechter und immer mehr Gewitter brauten sich zusammen.
An einer Tankstelle legten wir einen kleinen Stopp ein und nahmen unseren Lunch zu uns. Wobei ich bei diesen Temperaturen wirklich überhaupt keinen Hunger hatte.
Ich beobachte die düsteren Gewitterwolken in der Ferne und eine Haubenlerche (Crested Lark; Galerida cristata), die in der kargen Landschaft nach Nahrung suchte.
Hoffnungsvoll, dass das Gewitter nicht den Weg in den Scharyn Canyon suchte, fuhren wir die letzten Kilometer auf der Schotterpiste bis zur Eingangsschranke.
Auf dem neu angelegten Parkplatz oberhalb des Canyons stiegen wir aus und Giorgi erklärte uns den Weg durch die Schlucht. Da es allerdings bis zum Ende der Schlucht am Scharyn Fluss nur geradeaus geht, war die Wegfindung auch ohne GPS einfach.Wir stiegen die Stufen hinab in den Canyon und waren begeistert von der grandiosen Kulisse, die sich uns bot.
Die hohen, rötlichen Sandsteinfelsen ließen uns klein wirken.
Auf einem breiten Schotterweg liefen wir immer weiter hinab in den Canyon.
Rechts und links des Weges türmten sich die Sandsteingebilde mit Namen wie „Notre Dame“, „Pinguin“, „Ente“ oder „Winnie Puh“auf. Das Auge wusste gar nicht, wo es zuerst hinsehen sollte. Ein weiteres Highlight des heutigen Tages.
Der Weg durch den Scharyn Canyon bis zum smaragdfarbenen Scharyn Fluss beträgt ca. 2 Kilometer. Leicht bergabwärts wanderten wir weiter hinein ins Tal. Da sich im Tal des Canyons ein Ecocamp mit Jurten und Zelten befindet, befahren zeitweise auch Geländewagen den Canyon.
Zum Glück staubte es nicht zu sehr und wir brauchten nur zweimal ausweichen. Die Wanderung konnten wir dennoch in vollen Zügen genießen, da die Fahrzeuge nicht permanent hoch und runter fahren.
Nach einer Stunde erreichten wir das Ende des Canyons und den Scharyn Fluss.
Ein paar Fotos und zahlreiche Mückenstiche später liefen wir auf demselben Weg durch den Canyon. Jetzt aber bergaufwärts.
An einem der bizarren Felsgebilde entdeckten wir einen Nonnensteinschätzer (Pied Wheatear; Oenanthe pleschanka), der einen Heidenlärm veranstaltete. Wenig später wussten wir warum; eine Schlange war in sein Brutgebiet eingedrungen.
Die Ravergiers Zornnatter (Spotted whip snake; Hemorrhois ravergieri) war perfekt an ihre Umgebung angepasst und schlängelte sich abwärts zum Boden. Näher ran gehen wollte ich natürlich nicht, da sie sehr flott war und ich nicht wusste, ob es sich um Giftschlange handelte. Update nach Internetrecherche: Die Drüsen der Schlange produzieren ein toxisches Sekret. Die Vergiftung (Intoxikation) geht zumeist lediglich mit zum Teil heftigen lokalen Symptomen einher, etwa Schwellung und Schmerzen im gebissenen Glied sowie eine Verfärbung. Die Symptome können einige Tage anhalten, tödlich ist der Biss einer Zornnatter also nicht.
Marcels Sinne waren jetzt vollkommen auf Schlangen geschärft, denn er hasst die Tiere so sehr, wie ich Spinnen nicht leiden kann.
Dennoch schlug er sich tapfer und an einem Abzweig, gingen wir auf einem Trampelpfad steil bergauf zu einem Aussichtspunkt.
Der Wind pfiff uns jetzt ordentlich um die Ohren, aber die Aussicht auf den Canyon von oben war atemberaubend.
Leider wehte es meine Mütze weg und ich hatte keine Chance, diese wiederzufinden. RIP Cappy.
Nachdem wir trotz des Windes den Ausblick auf den Scharyn Canyon genossen hatten, liefen wir schnellen Schrittes zurück zum Jeep.
Glücklicherweise kam Giorgi uns entgegen. Gemeinsam fuhren wir zu einem weiteren Aussichtspunkt, der uns den Blick auf den weitläufigen Canyon eröffnete. Ein Ende war nicht zu erkennen.
Die steil aufragenden roten Türme beeindruckten uns erneut und wir machten weitere Fotos, bevor wir zurück zum Wagen gingen. Zum Glück war der von uns erwartete Regen ausgeblieben.
Vom Charyn Canyon lagen nun erneut 1,5 Stunden Autofahrt bis ins Dorf Saty vor uns.
Ein anstrengender aber eindrucksvoller Tag mit vielen Impressionen neigte sich langsam dem Ende.
Saty und unsere Unterkunft für heute erreichten wir um 21 Uhr. Bis das Abendessen gereicht wurde und ich duschen konnte, vergingen allerdings noch einmal 1,5 Stunden.
Zudem entsprach das für die nächsten drei Nächste gebuchte Temirkhan Guesthouse (Gostevoy Dom Temirkhana Umbetaliyeva) nicht ganz unserer Vorstellung. Die Zimmer waren zwar sauber und die Gastgeber wirklich nett aber für ca. 30 Gäste in dem Hostel gab es nur eine Toilette. Und die befand sich gemeinam in einem Raum mit der Dusche. Da das Guesthouse bis auf den letzten Platz gefüllt war, konnte ich mich schon einmal in die Schlange der Wartenden einreihen. Wir hofften daher, die Unterkunft am nächsten Tag wechseln zu können. Man wird halt alt 🤣.
Immerhin lernten wir hier durch Zufall drei Reisende aus der Schweiz kennen: Fabienne, Celine und Jeanine. Nach kurzem Plausch war man sich sympathisch und es sprach nichts dagegen, dass wir morgen gemeinsam die Fahrt und die Wanderung vom Unteren zum Mittleren Kolsaisee unternahmen. Jetzt wollten wir aber erstmal nur eines: Schlafen.