Unsere heutige Wanderung führte uns zu einem Aussichtspunkt mit Blick auf das Inlandseis. Auf dem ca. 300 Meter hohen Berg befindet sich die Wetterstation und das Flughafenradar von Kangerlussuaq (TACAN = TACtical Air Navigation). Von hier hat man nicht nur eine wundervolle Aussicht auf das umliegende Hinterland, sondern auch beste Chancen Moschusochsen zu sichten. Für die Wanderung sind etwa 14-15 Kilometer zu veranschlagen und es sind gut 345 Höhenmeter im Auf- und späterem Abstieg zurückzulegen. Der Trail ist leicht zu finden, da man einfach nur der Schotterstraße hinauf zum gut sichtbaren Radar folgen muss.
Von der gestrigen Radtour zum Russell-Gletscher und dem Inlandseis schmerzte der Hintern doch ordentlich und wir waren froh, uns heute per pedes fortzubewegen. Dank Polartag und 24 Stunden Helligkeit war es letztendlich egal, wann wir starteten. Ein echter Vorteil im Sommer.
Wir frühstückten daher in Ruhe im Kangerlussuaq Youth Hostel und gingen noch einmal kurz zu Christian von AdvenTours.gl – dem E-Fatbike-Verleiher – rüber, um Helm und die Zusatzakkus abzugeben. Wer keine Lust auf eine geführte Tour zum Russell-Gletscher und dem Inlandseis hat, dem sei die Fahrradtour wärmstens zu empfehlen. Anstrengend aber grandios.
Danach machten wir uns auf dem Weg zum TACAN. Wir überquerten die breite Brücke über den Fluss Akuliarusiarsuup Kuua (Sandflugtdalen). Er entspringt dem Schmelzwasserabfluss des Russell-Gletschers. Der Fluss ist ein Nebenfluss des Qinnguata Kuussua, des Hauptflusses in der Region Kangerlussuaq. Die meiste Zeit seines Laufs fließt der Fluss sehr langsam durch das Sandur-Becken des Tals und bildet Mäander zwischen großen Feldern aus eiszeitlichem Schlicksand.
Auf der sandigen Straße liefen wir aufwärts und bogen am Abzweig nach links ab (Schilder Richtung TACAN).
Moderat stiefelten wir durch den teils tiefgründigen Sand bergauf. Rechts neben uns befand sich der dominante, dunkle Bergrücken „Black Ridge“ der durch die Bewegung des Eises vor 1650 bis 1790 Millionen Jahren geformt wurde. Auch hier befindet sich ein Aussichtspunkt.
Während des Aufstiegs über die breite Straße boten sich uns wunderbare Ausblicke entlang des Flusstals und über die arktische Tundra.
Unterwegs konnten wir den ein oder anderen Geocache finden. Der erste befand sich an einem alten Dieseltank, den die Amerikaner zu aktiven Zeiten genutzt hatten.
Direkt gegenüber befand sich ein Picknickplatz mit herrlichem Blick.
Marcel schnappte sich das Fernglas und entdeckte die ersten Moschusochsen, die für die Kamera allerdings zu weit weg waren.
Da auch heute die Mücken wieder sehr aktiv waren, konnten wir uns am Picknickplatz nicht allzu lange aufhalten und zogen daher nach 10 Minuten weiter.
Wir liefen auf der Straße, die zum Glück nicht allzu stark befahren war, moderat bergauf bis zu einem Abzweig.
Hier bogen wir für einen kleinen Abstecher zum Aussichtspunkt Black Ridge nach rechts ab und marschierten weiterhin aufwärts.
Der Aussichtspunkt mit Plattform und Fernglas befand sich direkt über der Stadt und bot den besten Blick über Kangerlussuaq. Von hier aus konnten wir die gesamte Stadt und den Kangerlussuaq-Fjord überblicken.
Auf gleichem Weg ging es zurück bis zum Abzweig, an dem wir nun geradeaus weiterliefen. Die Radarstation lag noch rund 2 Kilometer von hier entfernt.
An einem Parkplatz entdeckten wir etliche Fahrspuren und wollten natürlich wissen, wohin man hier blickte.
Vor uns befand sich ein grandioses Panorama auf das Umland und einen kleinen See.
Das Ganze wurde von einem Moschusochsen getoppt, der keine 200 Meter vor uns in einem kleinen Tal zwischen den Sträuchern graste. Wie cool war das bitte?
Wir suchten uns einen Stein, auf dem wir sitzen und das majestätische Tier beobachten konnten.
Den Moschusochsen störte weder das Kamerageklicke, noch unser Aufenthalt. Er graste in Ruhe weiter.
In den 60ern wurden 27 Moschusochsen mit einem Schiff via Island nach Kangerlussuaq umgesiedelt, da diese Gegend als geeigneter Lebensraum für sie angesehen wurde. Das Vorkommen der Moschusochsen ist allein in dieser Umgebung über die Jahre hinweg auf mehrere tausend Tiere angewachsen. Im nordöstlichen Grönland bekommt der Moschusochse normalerweise jedes zweite Jahr ein Kalb, aber in Westgrönland sind es zwei pro Jahr. Das lässt sich nicht anders erklären, als dass es ihnen hier richtig gut geht und die Umsiedlung ein Erfolg war.
Nach etwa 600 Metern begaben wir uns an den finalen Anstieg, der uns in ausladenden Serpentinen steil hinauf brachte.
An einer alten Wetterstation des Danmarks Meteorologiske Institut (kurz DMI) blickten wir auf die atemberaubende Naturkulisse.
Unser Blick reichte bis zum 25 km entfernten grönländischen Inlandeis.
Ebenfalls zu sehen waren der Store Saltsø (einer der größeren Salzseen in der Region), der Sugar Loaf Mountain und ein Teil des UNESCO-Welterbes: Aasivissuit-Nipisat.
Wir liefen noch ein wenig weiter bis zum höchsten Punkt, an der sich auch das Radar befand.
Hier gab es eine Aussichtsplattform, von der man nun in die andere Richtung bis hinunter nach Kangerlussuaq blicken konnte. Die Aussicht ist allerdings fast identisch zum Black Ridge Aussichtspunkt, so dass wir uns lieber ein Plätzchen in Richtung Inlandseis suchten.
Auf einem Stein legten wir eine Rast ein. Zum Glück herrschte ein frisches Lüftchen, so dass die Mücken nicht stechen konnten. Aber Schwärme von den Viechern hielten sich hinten in unserem Windschatten auf und warteten nur auf die nächste Gelegenheit, Blut abzustauben.
Marcel zückte das Fernglas und hielt nach Moschusochsen und Rentieren Ausschau. Tief im Tal entdeckte er ein paar Moschusochsen, die friedlich an einem kleinen See grasten.
Nach etwa einer halben Stunde schossen wir die letzten Fotos und begaben uns an den Abstieg nach Kangerlussuaq.
Unterwegs nutzte ich die Gelegenheit, mal ein paar der rund 60 auf Grönland lebenden Vogelarten abzulichten.
Im Gebüsch entdeckte ich einen Birkenzeisig (Common Redpoll, Acanthis flammea), den Marcel auf den Namen „Rotkappe“ taufte.
Häufig anzutreffen war auch die Spornammer (Lapland Bunting oder Lapland longspur, Calcarius lapponicus), die mit ihrem kurzen, trillernden Gesang im Flug direkt Aufmerksamkeit erregte. Während der Brutzeit ruft sie, teils im Singflug, „tjüb“, „tije“ oder „drü“, während sie mit zitternden Flügeln herabsegelt. Das erinnerte uns ein wenig an einen Basejumper, weshalb die Spornammer auch diesen Spitznamen von uns erhielt 😂.
Bis auf ein paar Raben sahen wir jedoch keine weiteren Vogelarten und schlenderten daher entspannt zurück nach Kangerlussuaq.
Kurz bevor wir die Stadt erreichten, herrschte auf dem kleinen Flughafen reges Treiben. Zunächst startete ein Stratotanker vom Typ Boeing KC-135 der U.S. Air Force.
Wenige Minuten später kam aus der anderen Richtung ein Helikopter von Air Greenland angeflogen, der ein paar Kanister im Schlepptau hatte und am diese Flughafen ablud.
Auch eine Dash 8 von Air Greenland machte sich auf den Weg. Da wurde uns richtig was geboten.
Dann kehrte jedoch wieder Ruhe ein und wir schlenderten zurück zu unserem Hostel, wo wir den Tag gemütlich ausklingen ließen.
