Die Nacht auf 3.600 Metern Höhe endete früh. Schlafen kann man auf so einer Höhe kaum und schon gar nicht, wenn Nachts die Temperaturen auf den Gefrierpunkt sinken. Wir sahen daher zu, dass wir uns auf den Weg zum Ala-Kol-Pass machten. Mit 3.906 Metern über dem Meeresspiegel der höchste Punkt unserer Tour.
Hunger hatten wir keinen und daher verschoben wir das Frühstück auf später. Wir genossen noch einmal den Ausblick auf den smaragdgrünen Ala-Kol von unserem Campingplatz und machten uns auf dem Weg zum Pass.
Der weglose Pfad führte uns durch lockeres Gestein und Fels steil aufwärts. Man hätte allerdings auch am zweiten Camp vorbei und dort einem schmalen Pfad nach oben folgen können. Wir orientierten uns an dem erkennbaren Pfad über uns.
Auf dem schmalen Pfad angekommen, eröffnete sich uns ein weiter Blick auf den wunderschönen See.
Die ersten Träger der russischen Gruppe überholten uns bereits und wir wussten, dass sich auch die anderen Wanderer bald auf den Weg nach oben machen würden.
Bis zum finalen Aufstieg zum Alakol-Pass verläuft der Weg recht eben und es waren kaum Höhenmeter zurückzulegen. Wir konnten daher den Ausblick auf den Ala-Kol genießen.
Die meisten Träger hatten uns bereits überholt und wir folgten ihnen immer weiter bergauf. Einer der Jungs hatte jedoch nicht genug zu trinken dabei und musste noch häufiger als wir eine Pause einlegen. Wir gaben ihm daher etwas von unserem Wasser ab und hofften, dass auch er es zeitig bergauf schaffen würde. Immerhin müssen die Träger um einiges früher am Camp ankommen, um die Stühle, Tische, Zelte und mobilen Toiletten aufzubauen. Wenn das hier schon so verrückt ist, möchte ich niemals zum Everest.
Auf den letzten Metern mussten wir wieder alle paar Schritte Atempausen einlegen. Der Weg war wirklich anstrengend und nicht immer gut zu erkennen.
Einige steile Passagen bedürfen der vollen Aufmerksamkeit, wenn man nicht ausrutschen möchte.
Wir gelangten immer höher und genossen trotz aller Anstrengung die wunderschöne Aussicht auf den Bergsee und die umliegenden hohen Gipfel des Tien-Shan-Gebirges.
Und dann hatten wir es endlich geschafft. Der höchste Punkt der Tour war erreicht. Immerhin überholten uns tatsächlich nur drei Trekker der russischen Gruppe. Wir beglückwunschten uns gegenseitig und genossen die Sicht auf das Altyn-Araschan und das Ala-Kol-Tal. Wahnsinn, wie weit man blicken konnte und Wahnsinn was für ein Glück wir hier mit dem Wetter hatten. Die stabile Wetterlage der letzten Tage ist nicht unbedingt üblich. Gerade im Hochsommer ist häufig mit Gewittern zu rechnen.
Wir schossen zahlreiche Fotos von dem wunderschönen Alakol und genossen den Augenblick. Gut, ich machte mir schon jetzt Sorgen über den folgenden Abstieg. Denn sollte der so steil hinab verlaufen, wie er bergauf gegangen war, sah ich mit mir, meinem Gleichgewicht und dem schweren Rucksack schwarz.
Da wir die russische Gruppe lieber hinter uns lassen wollten, machten wir uns nach 15 Minuten an den steilen Abstieg; auch wenn wir uns vom Anblick des Sees kaum trennen konnten. Die ganze Plackerei für einen 15-minütigen Aufenthalt am höchsten Punkt des Passes.
Die ersten Meter waren wie erwartet steil und rutschig. Der Boden gab kaum Grip her und ich ging daher fast sitzend abwärts. Von unten kamen uns andere Wanderer entgegen, denen wir auch noch ausweichen mussten.
Auch die russische Gruppe kam hinter uns her und das lose Gestein rollte an allen Seiten abwärts. Wir sahen daher zu, dass wir schnellstmöglich hier weg kamen. Auf Steinschlag hatten wir beide keine Lust.
Zum Glück kann man nach den ersten Metern im losen Sand-Geröllstein gut abfahren. Man sinkt so tief ein, dass selbst ich ohne Erfahrung mit Abfahren und schwerem Rucksack keine Probleme hatte. Allerdings staubte es so stark, dass ich kaum noch was sehen konnte. Das Leid der Brillenträger. Gut, dass wir die Kamera wegggepack hatten.
Innerhalb weniger Minuten erreichten wir das Ende der steilen Passage, liefen ein paar Meter über ein Schneefeld und legten auf einem Felsen eine Pause ein. Puls und Adrenalinspiegel durften sich jetzt erstmal erholen. Interessiert beobachteten wir das Geschehen auf der Abstiegspassage und waren froh, nicht mittendrin in dem ganzen Gewusel zu sein.
Durch das Altyn-Araschan-Tal folgten wir dem gut erkennbaren Pfad zwischen Geröll sanft abwärts. 1.200 Höhenmeter lagen im Abstieg nun vor uns.
Über ein großes Geröllfeld und vorbei an einer Jurte verloren wir recht wenig an Höhe und wussten mit jedem Kilometer, dass der finale steile Abstieg daher noch kommen musste.
Der Weg verlief entlang der Wiesen auf 3.300 Metern Höhe.
Wir passierten das Zwischencamp der russischen Gruppe und legten ein paar Meter weiter auch eine kleine Rast ein. Nachdem die Flaschen mit Wasser aufgefüllt waren, zogen wir die Schuhe aus und gönnten den geschundenen Füßen ein wenig Abkühlung.
Dem ausgewaschenen Pfad folgten wir weiter abwärts. Trotz Bandage machten sich die Knie bemerkbar.
Da das Wetter jedoch zunehmend schlechter wurde und sich über dem Alakol-Pass dunkle Wolken zusammenbrauten, stiegen wir ohne Pause weiter hinab ins Tal.
Eine Flussquerung stellte uns vor eine Herausforderung, denn der reißende Fluss bot nicht viele Möglichkeiten trockenen Fußes ans andere Ufer zu gelangen, zumal die Steine auch sehr rutschig oder lose waren. Aber ganz nach dem Song von Marvin Gaye und Tammi Terrell „ain’t no mountain high, ain’t no valley low, ain’t no river wide enough baby“ meisterten auch wir diese Passage und erreichten trockenen Fußes das andere Ufer.
Zwei Wanderer, die sich hinter uns befanden hatten allerdings dasselbe Problem. Ein Einheimischer zeigte ihnen den richtigen Weg.
Über einen kaum erkennbaren Graspfad gelangten wir weiter hinab ins Tal.
Die Baumgrenze auf knapp 3.000 Metern Höhe war bald erreicht und das erste Gewittergrummeln in der Ferne zu hören.
Dennoch gönnten wir uns eine Pause. Die beiden anderen Wanderer hatten wir weit hinter uns gelassen.
Bevor der Regen einsetzte wanderten wir weiter und erreichten die ersten Ausläufer des tiefen Tals.
An einer Weggabelung wussten wir nicht, ob wir nun oberhalb oder unterhalb des Weges weiterwandern mussten.
Wir entschieden uns für den unteren Weg und marschierten über Brücken, die aus losen Baumstämmen bestanden, am Araschan Fluss entlang.
Das Gewitter schien näher zu kommen, denn das dumpfe Grollen wurde lauter. Wir beeilten uns und gelangten auf einen geraden Weg, von dem aus wir das Altyn-Arashan Travel Guesthouse in der Ferne erblickten. Hier wollten auch wir heute übernachten, da die Ortschaft Ak-Suu – dem Ziel unserer Trekkingtour – noch einmal einen Tagesmarsch von hier entfernt lag.
Wir liefen über eine breite Brücke, die nicht den sichersten Eindruck erweckte und hatten das Gewitter zum Glück hinter uns gelassen.
Das Altyn-Araschan-Tal wartet mit heißen Quellen auf seine Gäste. Genau das wollten wir heute auch machen; relaxen.
Im Altyn-Arashan Travel Guesthouse gibt es neben W-Lan auch die Möglichkeit zur Einkehr und Übernachtung. Zelten wollten wir bei Gewitterneigung nicht unbedingt. Wir liefen daher Richtung Guesthouse, um nach einem Zimmer für die heutige Nacht zu fragen.
Spontan entdeckten wir jedoch alte sowjetische Kleintransporter (UAZ-452), die als Taxi in die Stadt genutzt werden und so ziemlich jede Strecke fahren können.
Wir fackelten daher nicht lange, verzichteten auf die heißen Quellen und beschlossen, uns mit eben solch einem alten Transporter bis nach Karakol bringen zu lassen, um dort in einem Hotel mit heißer Dusche, frischen Klamotten und richtigem Essen die nächsten beiden Nächte zu verbringen.
Da wir die einzigen Gäste waren, die nach Karakol wollten und wir auch keine Lust hatten, auf andere Gäste zu warten, bezahlten wir den Preis von 4.000 Som (ca. 50 Euro) und setzten uns in den Transporter.
Zwei kirgische Jungs und zahlreiche leere Gasflaschen stiegen dazu. Jede Gelegenheit wird natürlich genutzt, um alte Waren und neue Güter aus der Stadt nach oben zu bringen.
Der Kleintransporter des sowjetischen/russischen Herstellers UAZ wird seit 1965 gebaut. Er hat zwei Achsen und einen zuschaltbarem Allradantrieb.
Die abenteuerliche Fahrt begann kurze Zeit später. Unser Fahrer und seine Begleiter sprachen leider kein Englisch aber als die Jungs überall Halt suchten (den es in dem Transporter so gut wie gar nicht gibt), taten auch wir es ihnen gleich.
Über dicke Felsbrocken, steile, ausgewaschene Wege, die nicht als Straße erkennbar waren und tiefe Furten, brachte unser Fahrer den UAZ -452 immer tiefer ins Altyn-Arashan-Tal. Wir wurden ganz schön durchgeschüttelt und der Geruch von Diesel ätzt einem in der Nase alles weg. Außerdem war es mörderisch heiß in der Karre, denn eine Klimaanlage gibt es natürlich nicht. Zwischendurch zündete sich der Fahrer eine Zigarette an, worüber wir sehr froh waren, denn endlich konnten wir mal etwas anderes riechen. Falls wir überhaupt noch riechen konnten.
Auf den Fotos wirkt die Fahrt weniger holprig als sie tatsächlich war, was daran liegt, dass Fotografieren bei den dicken Steinen und steilen Passagen gar nicht möglich war.
Auch der Staub, der durch jeden Ritz ins Wageninnere drang, half nicht beim Atmen. Aber die Fahrt mit so einer alten Sowjetkarre, die anscheinend unkaputtbar ist und wirklich jede noch so steile Passage überwinden kann, war ein echter Spaß. Wir können daher nur jedem Besucher empfehlen: Fahrt mit dem Kleintransporter. Man kann zwar kaum atmen, jeder Knochen schmerzt beim Festhalten und man stößt sich zwischendurch den Kopf an der Wagendecke (mal abgesehen von den Ängsten, wenn der Fahrer eine so steile Passage abwärts fährt, das man doch eigentlich nur umkippen kann) aber es ist ein Heidenspaß. Und wo hat man die Möglichkeit mal mit so einem Fahrzeug zu fahren?
Nach knapp zwei Stunden kamen wir in Karakol an. Dank Google Maps konnten wir den Fahrer bis zu unserem ausgesuchten Hotel lotsen. Wir bedankten uns, stiegen aus und kehrten im Lighthouse erstmal ein, um etwas zu trinken.
Marcel fragte im gegenüberliegenden Amir Hotel nach einem freien Zimmer an und wir hatten Glück, noch eines bekommen zu können. Am Wochenende ist das Hotel oft ausgebucht, da renommierte Reiseanbieter auch dieses Hotel ansteuern.
Wir checkten ein und genossen eine ausgebiegige, heiße Dusche. Da unsere restlichen Klamotten noch im Auto von unserem Guide Bermet und dem Fahrer lagen, fragten wir sie, ob sie uns diese eventuell schon einen Tag früher ins Hotel bringen könnte. Alles gar kein Problem und um 17:30 Uhr stand sie auf der Hotelveranda und brachte uns unsere Klamotten. Damit hatten wir nicht gerechnet.
Somit konnten wir auch einen Tag früher als geplant in den Genuss frischer Kleidung kommen.
Da wir den nächsten Tag ebenfalls im Amir Hotel in Karakol verbrachten, nutzten wir die Gelegenheit zum Waschen einiger Kleidungsstücke.
Im Lighthouse gönnten wir uns ein leckeres Abendessen und zogen uns danach ins Zimmer zurück.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit setzten Regen und ein leichtes Gewitter ein und wir waren froh, die Nacht nicht im Zelt, sondern in einem geschlossenen Raum verbringen zu können.
Wir ließen den Tag bei einem Glas Wein ausklingen und unterhielten uns über die verganenen letzten Tage und dem, was wir trotz mäßiger Fitness geleistet hatten.