Während Marcel eine angenehme Nacht in der Jurte verbracht hatte, tat mir so ziemlich jeder Muskel im Rücken und an der Seite weh. Die Federung des Betts war trotz meines Bettdeckenaufbaus nicht vorhanden. Erinnerte mich ein wenig an das Märchen „Die Prinzessin auf der Erbse“…
Wir dösten noch ein wenig vor uns hin, bevor wir uns um 9 Uhr mit Bermet und dem Fahrer zum Frühstück trafen.
Es gab heute mal Pancakes und das grandios leckere Brot zum Frühstück. Marcel war beim Frühstück schon recht angespannt, da er nichts mit sich anzufangen wusste.
Wir beschlossen daher mal zu testen, wie wir uns auf dem Pferd schlugen. Für uns beide war es eine Premiere. Ich saß irgendwann als 14-jährige mal auf dem Rücken eines Pferdes und erinnere mich, dass das irgendwie nichts für mich war 😂.
Wer übrigens tatsächlich mal Ausreiten möchte, sollte das unbedingt am Song-Kul tun, denn es gibt nirgends soviele Möglichkeiten ein Pferd zu leihen, wie hier.
Ein Junge der Nomaden sattelte unser Testpferd. Zimperlich ging er mit dem Tier allerdings nicht um. Wenn es nicht parierte, bekam es immer ordentlich eins auf die Rübe.
Marcel machte den Anfang. Zu unserem Guide und dem Fahrer gesellte sich eine deutsche Studentin, die uns auch behilflich war.
Das Pferd war allerdings ein wenig stur und machte einfach nicht das, was es sollte. Es blieb immer stehen oder ging nicht nach rechts, obwohl wir die Zügel nach links zogen.
Alle „chu chu“-Rufe brachten nichts. Das Pferd blieb häufiger stehen, als das es lief.
Nachdem Marcel erfolglos aufgab, versuchte ich mein Glück. Das Aufsteigen war schon eine Kunst für sich. Bei Marcel sah das noch recht gut aus, ich bin fast auf der anderen Seite wieder hinuntergefallen, da ich wohl etwas zu viel Schwung genommen hatte.
Als ich aber Oben auf saß, lief das Pferd mit mir doch tatsächlich ein paar mehr Schritte und nahm auch die Kurven und Wendungen so, wie ich das vorgesehen hatte. Lief ja gar nicht schlecht.
Ich muss allerdings gestehen, dass das Reiten nicht so meine Welt ist. Das Pferd sah das scheinbar genauso und graste einfach zwischendurch. Da ich nicht wusste, wie fest man überhaupt an den Zügeln ziehen kann und ich dem Pferd auch nicht wehtun wollte, ließ ich es halt grasen 🤔😅.
Wir beide beschlossen, es bei dem kurzen Reitversuch zu belassen und beendeten die Session. Zumal wir uns auch unsicher waren, wie wir beide alleine mit Pferden am Song-Kul etwas unternehmen wollten. Ein Guide wäre nicht dabei gewesen. Ich vermute, ich hätte mir das eher in einer Anfängergruppe zugetraut als komplett alleine.
Bermet sollte uns dann mal zeigen, wie es richtig geht, aber auch bei ihr zickte das Pferd. Besser sah es bei der deutschen Studentin aus. Sie galoppierte gleich drauf los. Sah so einfach aus.
Dennoch ließen wir davon ab und machten uns statt hoch zu Pferd lieber per pedes auf dem Weg zu einem Cache.
Bermet begleitete uns. Der Cache lag allerdings 2 Kilometer vom Jurtencamp entfernt. 200 Höhenmeter mussten wir zwischendurch auch noch überwinden.
Wir gingen daher auf weglosem Gelände auf- und abwärts bis wir an einem Steinhaufen ankamen, an dem sich auch der Cache befand. Diesmal konnten wir erfolgreich loggen.
Die Aussicht auf den Song-Kul war fantastisch und da es erst 11:30 Uhr, beschloss ich die Gegend zu erkunden. Marcel machte sich stattdessen auf den Rückweg zum Camp.
Ich lief immer weiter in das hügelige Gelände hinein und machte ausgiebige Pausen mit atemberaubenden Blick über den gesamten See.
Man kann hier übrigens laufen, wie man möchte. Einen Weg oder auch nur einen Trampelpfad gibt es nicht.
In der Sonne sitzend (und ohne mich natürlich vorher mit Sonnenschutz eingecremt zu haben) legte ich eine Rast ein. Über mir zogen Adler ihre Bahnen.
Gerne wäre ich noch weiter in die Berge gewandert aber mein Wasservorrat neigte sich dem Ende und eine dickere Jacke hatte ich auch nicht dabei. Da es bereits auf 3.200 Meter im Schatten frisch war, nahm ich daher von dem Plan Abstand.
Wenn die Sonne auf den See schien, ließ sie diesen in den unterschiedlichsten Blau- und Grüntönen aufleuchten. Ich genoss die Aussicht auf den Song-Kul und die Ruhe um mich herum. Außer mir war hier niemand unterwegs.
Stattdessen wanderte ich in Richtung Joki Camp. 5 Steinmännchen kennzeichneten ungefähr meine Abstiegsroute. Daher setzte ich mich auch hier nocheinmal in die Sonne, beobachtete Vögel, die um mich herum zwitscherten und auf den Steinen saßen und genoss einfach die tolle Aussicht auf den See.
Über dem See braute sich jedoch eine Gewitterfront zusammen und ich beschloss daher schnellstmöglich abzusteigen.
Während meiner Pausen konnte ich den Zug der Wolken gut beobachten und wusste, dass das Gewitter genau in meine Richtung und die des Jurtcamps zog.
Ich lief daher schnellen Schrittes den steilen Grashügel hinab zum Joki Jurtcamp, dass ich um 14 Uhr erreichte.
Keine 15 Minuten später frischte auch schon der Wind auf und es begann zu regnen. Das erste Donnergrollen ließ nicht lange auf sich warten. Marcel schloss daher das Dach der Jurte und den Eingangsbereich.
Ein Gewitter auf 3.000 Meter Höhe hat man auch nicht allzu häufig. Bermet und der Fahrer waren bereits auf dem Rückweg nach Karakol. Am Nachmittag sollte ein neuer Fahrer und ein neuer Guide kommen, die mit uns die Tour fortsetzten.
Wir mummelten uns in die Decken, da es durch den Wind merklich kälter wurde. Ein paar Mal donnerte es wirklich ordentlich.
Da hatte ich ja richtig Glück gehabt, dass ich aufgrund meines nicht vorhandenen Getränkevorrats nicht weiter in die Berge gewandert war. Etwas später und ich wäre voll in die Gewitterfront hineingeraten. In komplett freien Gelände, ohne Schutz… Nicht die schönste Vorstellung.
30 Minuten später waren der Regen und das Gewitter verzogen. Ich begab mich nach draußen in die Sonne, da es hier deutlich wärmer war als in der Jurte.
Das Dach zu öffnen hätte sich allerdings nicht gelohnt, da bereits die nächste Regenfront heranzog.
Es regnete und stürmte ordentlich aber diesmal zum Glück ohne Gewitter. Nachdem auch die Front durchgezogen war, sah es gut aus. Dunkle Wolken waren zwar um uns herum zu sehen aber nicht aus der Zugrichtung, aus der der Regen zu uns gezogen war.
So öffneten wir das Dach der Jurte, damit die Sonne uns noch etwas Wärme spenden konnte.
Wir beschlossen ein wenig zum Ufer des Song-Kul zu laufen um uns aufzuwärmen.
Auch hier gibt es keine festen Wegen. Man kann einfach zwischen Kühen und Schafen bis zum Ufer des Sees laufen.
Hier war es ganz schön windig und die Wellen ließen uns ein wenig wie am Mehr fühlen.
Wir spazierten auf Kieseln am Ufer des Song-Kul entlang. Das Wasser ist übrigens nicht so kalt, wie man es für einen See auf 3.000 Meter Höhe erwartet. Einige Hartgesottene gehen im Sommer sogar darin schwimmen.
Die Sicht war toll und das Licht der Nachmittagsonne tauchte die Umgebung in wunderschöne Farben.
Gemütlich schlenderten wir zurück zum Camp und setzten uns zu zwei Wahlschweizern, die aus Köln ausgewandert waren und der Studentin aus Deutschland.
Zu uns gesellte sich noch ein Tscheche, der in Österreich lebte und in 4 Monaten Zentralasien mit dem Motorrad erkundete.
Je mehr die Sonne jedoch hinter den Bergen versank, umso kälter wurde es. Zumal es heute auch sehr windig war. Ich wärmte mich daher zwischendurch immer wieder in der Jurte auf.
Etwas ungeduldig warteten wir auf das heutige Abendessen, das um 19 Uhr serviert wurde. Endlich konnten wir uns in die warme „Restaurantjurte“ begeben.
Zum Abendessen wurde uns eine Art Linsensuppe mit Einlage serviert. Sehr lecker und genau richtig bei den kalten Temperaturen. Außerdem gab es noch so etwas wie eine Anti-Pasti mit Paprika, Tomaten, Auberginen und Kohl. Nicht zu vergessen das absolut fantastische Brot. Ich kann nicht umhin, dies immer wieder zu erwähnen.
Kurz vor Sonnenuntergang kehrten wir in die Jurte zurück und warteten auf das Anheizen des Ofens. Da das Joki-Camp heute sehr gut gefüllt war, dauerte dies jedoch ein wenig.
Unser neuer Guide / Fahrer waren bis jetzt allerdings noch nicht aufgetaucht und wir wurden ein wenig nervös. Hoffentlich hatte das mit der Kommunikation zwischen den beiden Guides geklappt. Hier zu stranden war für uns irgendwie ein Worst Case Szenario, denn es war echt kalt und eines richtiges Bad fehlte uns auch.
Ich schoss noch ein paar Fotos vom Sonnenuntergang und mummelte mich in die Bettdecken. Es wurde unangehm kalt.
Daher war ich sehr froh, als der Junge endlich den Holzofen anmachte und die warme Luft in der Jurte verströmte.
Das letzte Licht des Tages ließ uns jetzt allerdings noch unruhiger werden, denn wir hatten wirklich Bedenken, ob wir hier oben nun vielleicht den nächsten Tag gestrandet wären. Im Dunkeln würde doch kein Fahrer mehr hier oben ankommen?
Wir arbeiteten einen Plan B aus und hofften natürlich, dass dieser nicht zum Einsatz kommen würde. Aber mein Pessimismus wurde immer größer. Das wäre wirklich der Super Gau für uns gewesen, denn dadurch hätten wir durch die Suche nach einer alternativen Fahrmöglichkeit nicht nur einen Tag verloren, sondern würden auch nicht mehr zum nächsten Punkt auf unserer Liste gelangen, sondern hoffen, dass wir überhaupt irgendwie nach Koschkor oder Bishkek kamen.
Aber zum Glück waren alle unsere Sorgen umsonst, denn gegen 23 Uhr – Marcel lag bereits in den tiefsten Träumen – hörte ich ein Auto vorrollen. Das konnte jetzt eigentlich nur noch unser neuer Fahrer und Guide sein, denn die beiden bezogen direkt die Jurte neben uns. Touristen würden sich um diese Uhrzeit wohl nicht mehr hier hin verirren.
Trotz der Beruhigung konnte ich trotzdem nicht schlafen. Auf dem harten Bett taten mir jetzt schon die Knochen weh und ich bekam schlechter Luft beim Atmen als gestern. Außerdem waren heute jede Menge merkwürdiger Tiergeräusche draußen wahrzunehmen.
Irgendwann konnte ich dann aber doch einschlafen, war allerdings beim ersten Licht des Tages schon wieder wach.