Den Morgen ließen wir ruhig angehen. Sonnenaufgang war erst um 09:30 Uhr. Wobei wir leider dank tief hängender Wolken nicht von einem Sonnenaufgang, sondern eher von einem langsam heller werdenden Himmel reden konnten. Wir hatten unsere Schneeschuhe von zu Hause mitgebracht und wollten zum Einlaufen eine zwei Kilometer lange Rundwanderung auf den 434 Meter hohen Konttainen unternehmen.
Wir frühstückten erstmal in Ruhe und waren gespannt, wie die erste Schneeschuhtour verlaufen würde. War der Weg gespurt oder mussten wir uns selbst einen erlaufen? Zur Sicherheit hatten wir ein GPS mit dem passenden Track dabei. Für Samstag und Sonntag war Schneefall prognostiziert, so dass wir heute noch unbedingt in den Riisitunturi National Park fahren wollten. Zwei Ziele an einem winterlich kurzen Tag ohne Sonne. Ob wir das schaffen würden?
Doch zunächst ging es zum Konttainen. Der Parkplatz lag etwa 15 Minuten von unserer Unterkunft entfernt. Die Straßen waren gut gespurt und mit dem Mietwagen problemlos zu befahren.
Viel los war am Parkplatz selbst nicht. Ein paar Birdwatcher hielten Ausschau nach Vögeln, denn direkt am Beginn der Wanderung befanden sich Futterhäuser. Was sich drin befand, würden wir später noch erfahren.
Zunächst zogen wir Schneeschuhe an und folgten dem beschilderten Weg bergauf. Wir hatten zwar einen GPS-Track dabei, der aber aufgrund der gut zu erkennenden Spur und den zahlreichen Wegmarkierungen nicht notwendig war.
Die Winterlandschaft war trotz des mäßigen Wetters ein Traum. Die schneebedeckten Bäume boten immer wieder tolle Motive.
An einer Weggabelung nahmen wir den rechten Abzweig und wanderten auf dem schmalen Winterpfad weiter hinauf.
Da wir Schneeschuhe anhatten, gingen wir ab und an ein Stück vom Weg ab und staksten durch den tiefen Schnee. Herrlich.
Bergauf kamen wir schnell ins Schwitzen und die Kälte beim Aussteigen (heute nur -9° Celsius) war flugs vergessen.
Höher und höher führte uns der Wanderweg durch die winterliche Landschaft, bis wir den höchsten Punkt nach etwa – den Konttainen (433 m.ü.M.) – nach ca. 800 Metern erreichten.
Der Blick auf den See Konttaisjärvi und die umliegenden Fjälls von Ruka waren heute leider kaum zu erkennen, so dass wir nur für einen Moment die Aussicht genossen und entlang des Hochplateaus des Konttainen weglos bergab wanderten.
An einem Abzweig liefen wir weiter geradeaus. Achtung: Parallel zur Rundwanderung auf den Konttainen verläuft hier auch der ca. 84 Kilometer lange Karhunkierros Trail. Daher den grünen Markierungen und NICHT den orangefarbenen folgen.
Durch den wunderschönen Wald gelangten wir sanft bergab.
Die Bäume lichteten sich und gaben den Blick in die Ferne frei. Der See war allerdings nur zu erahnen, da er komplett verschneit war. Aber dennoch ein traumhafter Anblick.
Der schmale Winterpfad brachte uns wieder hinab zum Parkplatz, wo wir die Schneeschuhe auszogen und noch ein wenig nach den Vögeln Ausschau hielten.
Zahlreiche Unglückshäher (Sibirian Jays, Perisoreus infaustus) und Meisen hüpften über den Boden und flogen zu den Futterstellen. Ich versuchte den Unglückshäher mit dem 100mm Objektiv abzulichten, hatte aber kaum eine Chance.
Eine finnische Familie beobachtete ebenfalls die Vögel und kam auf dem Rückweg zu uns. Die Frau fragte, ob wir auch die Vögel fütterten? Wir verneinten und sie fragte, ob wir ihr Restfutter haben wollten. Klar, warum nicht, denn bereits auf dem Hinweg hatten wir die Birdwatcher-Gruppe beobachtet, die ihre Hände aufhielten, um die Vögel anzulocken.
Wir hätten nicht gedacht, dass das wirklich funktioniert aber nachdem ich das Futter auf die Handfläche gelegt hatte, kamen die ersten Meisen angeflogen. Die mochten das angebotene Fressen allerdings nicht. In der Futtertüte der Frau befanden sich nämlich keine Körner oder Nüsse, sondern Schinken. Ja, Schinken. Den mögen die Unglückshäher sehr gerne.
Die Frau wartete so lange, bis wirklich einer der schönen Vögel angeflogen war und sich auf meine Handfläche setzte. Wenn das nicht mal wirklich cool war.
Die Vögel wurden zutraulicher und einer nach dem anderen stibitzte die Leckerei von meiner Handfläche, bis alles leer war. Ein unbeschreibliches Erlebnis für jeden Vogelliebhaber. Ich hatte mich schon gefragt, wo die Vögel hier im Winter eigentlich überhaupt was zu Fressen finden. Aber hier gab es jede Menge. Denn auch an den Futterstellen gab es neben Nüssen und Körnern Kochschinken. Wir hätten nicht gedacht, dass Vögel sowas fressen.
Nach dem fantastischem Erlebnis peilten wir den Riisitunturi National Park an und verließen den Wanderparkplatz. Mal schauen, ob wir in den nächsten Tagen den Spot noch einmal aufsuchen würden. Wir hatten nämlich auch noch genügend Schinken im Kühlschrank.
Bis zum Riisitunturi National Park lagen ca. 30 Minuten Fahrtweg vor uns. Die Straße war zwar nicht geräumt aber gut zu fahren. Schneeketten brauchten wir keine. Die speziellen Winterreifen reichten vollkommen aus.
Gegen 14 Uhr erreichten wir den großen Wanderparkplatz, von dem im Winter drei Schneeschuhtouren bzw. Winterwanderungen angegangen werden können.
Viel Zeit bis zum Einbruch der Dunkelheit blieb uns nicht mehr. Da wir die Schneeschuhe dabei hatten, nutzten wir diese auch und zogen nach dem Anziehen der Zwiebelschichten gleich los. Heute herrschten nur rund -10° Celsius. Die Lunge freute sich darüber. Gestern war es bei -22 Grad Celsius auf den ersten Metern draußen doch arg unangenehm gewesen.
Die Wege waren ausgeschildert. Es gibt kürzere und auch längere Touren. Da wir nur noch für rund 1,5 Stunden Tageslicht hatten, wollten wir uns nur dem kurzen, etwa 4,5 Kilometer langen Riisin rääpäsy Trail widmen.
Mit den Schneeschuhen konnten wir allerdings auch mal abseits der Pfade gehen und nahmen daher das GPS zur besseren Orientierung mit.
Bergauf wanderten wir durch den verschneiten Wald. Was für ein Anblick.
Der Riisitunturi National Park ist vor allem wegen seiner dick verschneiten Fichten bei Winterwanderern und Fotografen beliebt. Bei dem trüben Wetter heute war allerdings kaum etwas los. Schade, dass die Sonne nicht schien. Doch der Himmel war wolkenverhangen und Nebel waberte hinauf.
Es hatte in den letzten Wochen weniger geschneit als üblich und die Temperaturen waren nicht ständig im tiefen Minusbereich, so dass die sogenannten Tykki-Bäume (die Popcorn-Bäume) nicht so zur Geltung kamen, wie ich das von Fotos her kannte.
Im Riisitunturi National Park ist bei perfekten Voraussetzungen die Luftfeuchtigkeit genau richtig, damit sich Eis und Schnee auf den Fichten und den lappländischen Fjälls in der Umgebung ansammeln können, was zur Bildung der dick verschneiten Bäume führt.
Nichtsdestotrotz gefiel uns die märchenhafte Umgebung, denn die meisten Bäume waren vom Schnee und Frost der letzten Tage in ein weißes Kleid gehüllt. Nur nicht so stark, dass sie sich unter der Last des Schnees bogen und bizarre Skulpturen bildeten.
Leicht bergauf stapften wir mit den Schneeschuhen durch das Winterwunderland und liefen auch mal abseits des gespurten Weges. Traumhaft und ein absoluter Spaß.
Wir konnten uns gar nicht satt sehen an der herrlichen Landschaft, auch wenn das Wetter wirklich durchwachsen war. Das magische Licht vom gestrigen Tag war heute nicht zu erwarten. Doch wir machten das Beste draus. Natur kann man nicht beeinflussen.
Je höher wir kamen, desto spektakulärer wurde die Baumpracht.
Querfeldein marschierten wir auf den 465 Meter hohen Gipfel des Riisitunturi. Der Schnee knirschte aufgrund der Kälte unter unseren Füßen. Das war für mich Winter, wie er im Buche steht.
Immer wieder blickten wir nach rechts und links auf die verschneiten Bäume, die wie in einem Wintermärchen aussahen.
Vom Gipfel zogen wir bergab durch die Schneewüste. Da kaum Wind herrschte, war es auf der ausgesetzten Fläche überhaupt nicht unangenehm oder kalt.
Abseits des Weges genossen wir die traumhafte Wanderung. Dank GPS-Track ließen wir den Hauptweg nicht außer Acht und konnten auch kleine Gewässer, die unter der Schneeschicht nicht erkennbar waren, umgehen.
Wir gelangten zurück auf den Hauptwanderweg und folgten diesem bergab bis zu einer Holzhütte, in der man auch übernachten kann. Ein paar Waldarbeiter sorgten für frisches Feuerholz.
Eine Schneepiste brachte uns weiter abwärts. Wir mussten allerdings dem Wanderweg zurück zum Parkplatz folgen und stapften bergauf durch den dicken Schnee. Ein paar Mal sackten wir trotz Schneeschuhe ordentlich ein und mussten uns mit den breiten Schuhen wieder auf dem Schnee kämpfen.
Das Ende des Tages war nah und Fotos konnten wir kaum noch machen.
Daher spazierten wir gemütlich leicht abwärts zum Parkplatz, den wir gegen 15:45 Uhr erreichten. Auch wenn der Sonnenuntergang bereits gegen 15 Uhr war, war es dank des weißen Schnees länger hell. Erst gegen 17:00 Uhr wurde es stockdunkel.
Bis zu unserer Unterkunft in der Nähe von Ruka lagen etwa 40 Minuten Fahrt vor uns.
Durch die winterliche Landschaft fuhren wir im Dämmerlicht zurück zur Hauptstraße und von dort zur Hietvilla Aurora.
Auch wenn sich meine Wunschvorstellung mit den Schneeschuhen auf den Gipfel des Riisitunturi zu wandern und dort auf den Sonnenuntergang zu warten (und mit viel Glück auch noch Nordlichter zu sehen), nicht erfüllt hatte, haben wir den heutigen Tag dennoch genossen und waren auch im grauen Nebel beeindruckt von der Winterlandschaft, die sich hier uns bot.
Allein die Temperatur und der viele Schnee sind in Europa immer seltener zu finden. So habe ich mich doch mal wieder in den Winter verliebt, der für mich sonst immer aus Schneematsch und Einheitsgrau besteht.
Zurück in der Unterkunft heizte Marcel die Sauna auf und wir wärmten uns erstmal ein wenig auf.
Den restlichen Abend ließen wir vor dem prasselnden Kamin mit leckerem Skyr ausklingen.
