Der morgendliche Blick auf dem Hotelfenster ließ uns ein wenig Trübsal blasen, denn dichter Nebel bedeckte die Diskobucht. Man konnte kaum 100 Meter weit gucken und von den Eisbergen geschweige denn dem Wasser war überhaupt nichts zu sehen. Eigentlich wollten wir heute zum Eisfjord wandern und die Eisberge des kalbenden Gletschers Sermeq Kujalleq bewundern. Er ist nicht nur der produktivste Gletscher Grönlands sondern sogar einer der produktivsten der Welt.
Doch aktuell brauchten wir nicht los zu ziehen. Die Sicht lag bei Null. Wir begaben uns daher zunächst zum ausgezeichneten Frühstück im Obergeschoss des Best Western und ließen uns ausgiebig Zeit. Die Auswahl war riesig und wir wussten gar nicht, was wir zuerst essen sollten. Es gab verschiedene Joghurts und Gebäck. Sogar Waffeln konnte man selbst zubereiten. Da waren Brot und Brötchen schon fast langweilig.
Immerhin klarte es so langsam ein wenig auf und die ersten Eisberge kamen in Sichtweite. Doch richtig schön würde es heute vermutlich nicht mehr werden. Schon wieder so ein grauer Tag. Hoffentlich fing es nicht wieder an zu regnen. Grönland lebt nun einmal von Outdooraktivitäten, so dass man bei Regentagen nicht wirklich viele Alternativen hat.
Zurück auf dem Zimmer verbrachten wir die Zeit mit Lesen und vor uns hindösen.
Gegen 12 Uhr beschlossen wir, loszuziehen. Besser als jetzt würde es vermutlich nicht mehr werden. Immerhin lag kein dichter Nebel mehr über der Diskobucht.
Der Startpunkt des gelben Trails befand sich am Kraftwerk des staatlichen Versorgungsunternehmen Nukissiorfiit in der Minnerup Aqq. Am besten per GPS hinführen lassen.
Vom Best Western Hotel mussten wir zunächst rechts auf die Hauptstraße abbiegen und dieser nur geradeaus folgen. Im Supermarkt füllten wir noch einmal unsere Getränkevorräte auf und liefen durch eine Wohnsiedlung.
Schon interessant, wie die Wäscheständer auf Grönland positioniert werden. Und das bei Wind und Wetter 😃.
Vorbei an bunten Häusern und Hundehütten bogen wir nach links ab und sahen einen riesigen Eisberg direkt an der Küste entlang treiben. Das wollten wir uns doch aus der Nähe ansehen.
Wir liefen hinab zum Wasser und bestaunten den fast haushohen Eiskoloss.
Der Blick auf das Meer und die Eisberge war einfach einmalig und wir genossen die Sicht.
Leicht aufwärts folgten wir der Straße zum Kraftwerk, wo der Beginn des gelben Trails ausgeschildert war. Die Länge ist mit 2,7 Kilometern und dauert ungefähr 1,5 bis 2 Stunden.
Dank der grauen Wolken kam das weiß-blau der Eisberge viel besser zur Geltung als bei Sonne.
Über eine Holztreppe liefen wir zu einem Aussichtspunkt und konnten über die Diskobucht mit den vielen Eisbergen blicken. Unglaublich diese Sicht.
Wir folgten den gelben Punkten über steiniges Gelände bis wir einen ersten Blick auf die gewaltigen Eisberge und Eisschollen des kalbenden Sermeq Kujalleq-Gletschers blicken konnte. Der Sermeq Kujalleq produziert ca. 10 Prozent aller Eisberge Grönlands!
Die gigantischen Eisberge waren noch vom Nebel umschlossen, der leicht über das Eis waberte und eine stimmungsvolle Atmosphäre schuf.
Wir setzten uns auf einen Stein und blickten auf die unglaubliche Kulisse, die sich uns bot. Wie groß die Eisberge waren, konnten wir durch die vorbeifahrenden Touristenboote oder auch größere Frachtschiffe ins Verhältnis setzen. Unfassbar schön.
Da es heute recht kühl war und die Sonne ihre wärmenden Strahlen hinter dichten Wolken versteckte, zogen wir nach wenigen Minuten weiter und folgten dem ausgewaschenen Pfad durch die Steinwüste.
Verfehlen kann man den richtigen Weg nicht, denn zur Hochzeit wandern hier zahlreiche Touristen in Gruppen oder individuell her.
Der Wanderweg machte einen leichten Linksbogen und gab den Blick auf den Fjord mit den Eisbergen frei.
Mächtig beeindruckt schossen wir zahlreiche Fotos und kamen aus dem Staunen gar nicht raus.
So einen perfekt zugänglichen Ort mit diesem Blick war einmalig. Ich kann mich nicht erinnern, so etwas Beeindruckendes schon einmal gesehen zu haben. Kein Wunder, dass der Ilulissat-Eisfjord zum UNESCO-Weltnaturerbe gehört.
Wir blieben häufig einfach stehen und genossen die Ruhe und den Ausblick. Ab und zu war das Knacken und das Donnern abgebrochenen Eises zu hören.
Bergauf wanderten wir zum höchsten Punkt der Tour und legten erneut eine Pause ein.
Mit Blick auf die zahlreichen Eisberge in unterschiedlichsten Farben und Formen saßen wir einfach nur hier und genossen den Tag. Das heute etwas ungemütliche Wetter war für uns absolut zweitrangig.
Wir haben übrigens so häufig das Abbrechen des Eises und das laute Donnern gehört aber gesehen haben wir es nicht einmal. Spielte aber keine Rolle, denn diese Aussicht war so bombastisch.
Der Wegverlauf über den Holzbohlenweg des blauen Trails war von oben gut zu erkennen. Eigentlich wollten wir beide Wege miteinander kombinieren aber leider fielen die ersten Tropfen vom Himmel und wir beschlossen, erstmal zum Ilulissat Icefjord Centre zu laufen.
Wir kehrten den Eisbergen und dem Fjord den Rücken und folgten dem Weg Richtung Stadt.
Unser Ziel – futuristische Gebäude des Ilulissat Icefjord Centre – war von hier oben schon zu erkennen.
Leicht abwärts gelangten wir zu einem kleinen See, auf dem ein Odinshühnchen (Red-necked phalarope, Phalaropus lobatus) einsam seine Runde zog.
Wir passierten einen Friedhof und liefen auf einem Holzbohlenweg zum Ilulissat Icefjord Centre.
Die außergewöhnliche Konstruktion des Gebäudes soll dem Flug einer Schneeeule darstellen. Das Dach ist begehbar, es bietet eine Aussichtsplattform zur Stadt und der eindrucksvollen Fjordlandschaft. Auch wir erkundeten das Holzdach und blickten aus der Ferne auf die Eisberge. Ob man wohl jemals müde wird von dieser Aussicht?
Im Innern des Gebäudes mussten wir unsere Schuhe ausziehen und den Rucksack in einem Spint verstauen (kostenlos). Es gab Pantoffeln in allen möglichen Größen, mit denen wir die Ausstellung das kleine Café mit Shop betraten.
Während ich einen heißen Kakao trank und durch einen Bildband blätterte, wollte Marcel die kleine Ausstellung besuchen, die zeigt, wie der Klimawandel seine Spuren in der Region hinterlässt. Mit 150 DKK (ca. 20 Euro) ist der Eintrittspreis allerdings recht ambitioniert, für das was geboten wurde.
Der Blick aus dem Fenster auf die Tundralandschaft war traumhaft, nur das Wetter verschlechterte sich. Mittlerweile regnete es recht stark und wir hielten uns lieber noch ein wenig im warmen Gebäude auf.
Nach einer halben Stunde ließ der Regen etwas nach und wir beschlossen, einem Teilstück des blauen Trails zu folgen.
Über den Holzbohlenweg marschierten wir schnellen Schrittes abwärts und kamen den Eisbergen wieder näher.
Am tiefsten Punkt führte früher mal ein Weg hinab zum Strand. Das Betreten ist allerdings mittlerweile verboten, da die Gefahr eines Tsunamis, der durch das Abbrechen des Eises entstehen kann, zu groß ist. Meist verlieren die Eisberge nur kleine Eisschollen aber die Garantie dafür kann einem niemand geben. Also unbedingt auf dem Weg bleiben.
Der Holzbohlenweg endete und ging in einem Naturpfad über, dem wir noch für ein paar Meter aufwärts folgten.
Auf einem Stein setzten wir uns hin und ließen wieder einmal den Blick über die eisige Welt schweifen.
Da es wieder leicht an zu regnen begann, beschlossen wir die Wanderung auf dem blauen Trail in zwei Tagen noch einmal anzugehen. Heute machte das wenig Sinn, zumal wir wieder einmal keine Regenjacke dabei hatten.
Dichter Nebel zog außerdem vom Gletscher über das Meer in unsere Richtung und wir begaben uns über den Holzbohlenweg aufwärts zum Ilulissat Icefjord Centre, von wo wir zurück zum Hotel liefen.
Mittlerweile war der leichte Regen fester geworden und wir packten die Kameras weg.
Schnellen Schrittes liefen wir zum Hotel und waren froh als wir im warmen, trockenen Zimmer ankamen.
Der Blick aus dem Fenster war leider wieder wolkenverhangen und die Eisberge auf dem Meer nicht zu erkennen. Hoffentlich würde sich das Wetter die nächsten Tage ein wenig bessern.
Auf Knäckebrot mit Käse hatten wir heute Abend keine Lust und zogen daher nach einer Stunde noch einmal los. Es hatte sich mittlerweile eingeregnet und dank Regenjacke blieben wir zumindest oben herum trocken.
Weit hatten wir es nicht bis zum Hangout Bistro, wo ich mir einen sehr guten Burger und Marcel sich getrockneten und frittieren grönländischen Ammassat (ein kleiner Fisch namens Lodde oder Kapelan) gönnte.
Gesättigt gingen wir noch kurz in den Supermarkt, den Getränkevorrat auffüllen und liefen dann schnellen Schrittes durch den Regen zurück zum Best Western Hotel.
