Der Regen vom gestern war abgezogen. Ein paar kleine Schleierwolken thronten am blauen Himmel über den Bergen. Wir beschlossen daher, nach dem Früshtück direkt hinauf zum Jebel Shams-Gebiet zu fahren und entlang des bekannten Balcony Walks mit Blick in den Wadi Nakhar – den „Grand Canyon des Omans“ – zu Wandern. Der eigentliche Gipfel des Jebel Shams kann übrigens nicht erklommen oder befahren werden, sondern lediglich die gegenüberliegende Seite, die einen Blick auf den höchsten Berg des Omans (3.009 Meter über Meer) bietet.
Die etwa 7 Kilometer lange, mittelschwere Wanderung erfordert Kondition, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Es geht während der gesamten Tour fast ausschließlich an der imposanten Steilkante des Canyons entlang. Insgesamt müssen ca. 400 Höhenmeter überwunden werden. Auf dem Hinweg geht es fast ausschließlich bergab in ein tiefes Tal, an dessen Ende ein Naturpool auf den Wanderer wartet. Der Rückweg erfolgt auf selben Weg, dann aber bergauf 😉.
Während wir also gestern den Canyon von unten erkundet hatten, begaben wir uns heute in schwindelerregende Höhe.
Um zum Balcony Walk zu gelangen, lag eine etwa einstündige Autofahrt von Al-Hamra vor uns. Über die gut ausgebaute Asphaltstraße gelangten wir – anfangs nur leicht ansteigend aber im weiteren Verlauf in Serpentinen verlaufend – immer höher.
Nicht der Ausblick auf die Berge war traumhaft; wir entdeckten auch endlich mal ein Kamel am Straßenrand.
Wir folgten der Asphaltstraße weiter, bis diese abrupt und ohne Vorwarnung etwa 6 Kilometer vor unserem Ziel in eine Schotterpiste überging. Auf der gut fahrbaren und breiten Piste kamen uns ab und an ein paar Jeeps entgegen, denen man jedoch immer gut ausweichen konnte.
Ein Aussichtpunkt lud zu einer kleinen Fotopause ein. Der Blick war atemberaubend.
Weiter bergauf gelangten wir zu einem Abzweig, an dem wir der Offroadpiste nach rechts folgten. Ein paar Kilometer weiter gelangten wir zurück auf eine asphaltierte Straße, die uns am Jebel Heights Resort vorbeiführte.
Wir erreichten die Passhöhe und hielten an einem Café, von dem wir einen schwindelerregenden Blick in die Tiefe werfen konnten. Hier oben war es merklich kühler und ich zog mir ein Langarmshirt über. Gesichert ist die Abbruchkante übrigens nicht. Also Vorsicht beim Herangehen – finales Absturzgelände.
Während Marcel sich einen leckeren Kaffee gönnte, erkundete ich ein wenig die Gegend und schoss ein paar Fotos von der unglaublichen Gegend.
Nach rund 10 Minuten leistete er mich Gesellschaft und gemeinsam trauten wir uns nah an die Abbruchkante heran. Spektakulär dieser Ausblick.
Unterhalb entdeckten wir den Wanderweg W6, der sich an der Steilwand entlangschlängelte.
Wir setzten uns in Auto, passierten ein weiteres Hotel und gelangten erneut auf eine Offroadpiste.
An einem Aussichtspunkt mit Blick in den Canyon stoppten wir noch einmal kurz. Der Ausblick war allerdings ähnlich zum vorherigen Stopp, so dass ich nur einen Langschnabelpieper (Long-billed pipit, Anthus similis) ablichtete und wir unsere Fahrt entlang der Piste zum Ausgangspunkt der Wanderung – dem kleinen Dorf Al Khytaim – fortsetzten.
Der Parkplatz war bereits gut gefüllt aber wir fanden noch eine geeignete Lücke. Wir würden übrigens nicht empfehlen, direkt unter einem Baum zu parken. Die Ziegen scheuen nicht davor zurück, auf das Autodach oder die Motorhaube zu klettern, um an die grünen Blätter der Bäume zu gelangen.
In Al Khytaim kann man noch einmal seinen Getränkevorrat auffüllen, Souvenirs erwerben oder auf die Toilette gehen (500 Bz).
Da meine Wanderschuhe von der gestrigen Tour noch komplett durchnässt waren, hoffte ich, mit den Skechers entlang des Balcony Walks wandern zu können.
Der gelb-weiß-rot markierte Pfad brachte uns mit Blick in den Canyon abwärts. Der gut ausgebaute Weg kann bei Trittsicherheit tatsächlich auch sehr gut mit Turnschuhen oder Sneakers begangen werden. Wanderstöcke sind nicht unbedingt notwendig.
Wir wanderten an neugierigen Ziegen vorbei und passierten nach etwa 200 Metern einen kleinen Kiosk, wo es erneut Getränke oder Süßigkeiten zu kaufen gab.
Hinter der Verkaufsbude ging es nun über Felsstufen steil bergab. Der griffige Fels bot auch meinen Schuhen guten Halt und ich rutschte nicht weg oder fühlte mich unsicher.
Der schmale Weg führte uns leicht abwärts immer an der Steilkante der Schlucht her. Grandiose Ausblicke inklusive. Wir wussten gar nicht, wo wir zuerst hinsehen sollten.
Verlaufen kann man sich hier übrigens nicht, denn zum einen ist der Weg deutlich erkennbar markiert und zum anderen ist man hier auch nie alleine unterwegs. Etliche Touristen kamen uns bereits Luft schnappend entgegen.
Nach einem Kilometer erreichten wir einen Aussichtspunkt, an dem sich eine weitere Getränkebude befand. Diese war jedoch während unseres Besuch unbesetzt.
Wir genossen daher kurz den Ausblick und versuchten uns an einem Geocache, den wir leider nicht fanden.
Der Balcony Walk verlief nun nach links über Steine und Geröll weiterhin abwärts. Gegenanstiege gab es nur selten.
Eine große Wandergruppe war nun direkt hinter uns und wir versuchten etwas Abstand zwischen ihnen und uns zu gewinnen. Zum Glück sind Gruppen häufig ein wenig langsamer unterwegs als Individualtouristen. Durch das Echo im Canyon war jedoch an eine ruhige Wanderung nicht zu denken.
Wir wanderten weiter abwärts und erreichten nach einem weiteren Kilometer einen Geocache, den wir diesmal mit ein wenig Suche auch fanden. Durch die Suche hatte uns nun jedoch auch die Wandergruppe eingeholt und wir begaben uns nach dem Eintrag ins Logbuch auf den Pfad zurück.
In Schlangenlinien führte uns der Balcony Walk durch den beeindruckenden Canyon.
Wir hypnotisiert mussten wir den Blick immer wieder nach rechts auf die Berge und die unglaublich hohen Steilwände schweifen lassen.
Entlang der Abbruchkante folgten wir dem W6 weiter abwärts. Vor uns eröffnete sich ein gewaltiger Ausblick auf ein überdimensionales Loch in der steilen Wand.
Wir wanderten über festes Geröll und Steinstufen bergab.
Massive Felsvorsprünge spendeten uns Schatten.
An einer Bank hatte sich eine Ziege in den Schatten gelegt und wartete vermutlich auf ein paar Wanderer, die etwas Fressbares fallen ließen.
Im leichten Auf und Ab gelangten wir zu einem Turm aus Steinen, wo der Weg in steilen Serpentinen nach rechts abzweigte.
Mit den Wandermarkierungen stiegen wir hinab zu einem weiteren Felsvorsprung, in dem sich einige Steinbauten des mittlerweile verlassenen Dorf Al Sab befanden.
Wir passierten diese und erreichten nach etwa 1,5 Stunden (3,5 Kilometern) einen trocken gelegten Pool. Von oben tropfte noch etwas Wasser in den Pool. Mit viel Fantasie könnte man hier irgendwann mal von einem Wasserfall sprechen.
Wer mag, kann von hier noch ein paar Meter weiter zu den von den Bauern angelegten Terrassen wandern. Dafür muss man jedoch einen kleinen Bachlauf passieren. Da wir nicht schon wieder Lust auf nasse Füße hatten, ließen wir die Wanderung hier enden und begaben uns nach einer kleinen Rast auf gleichem Weg zurück nach Al Khytaim.
Bergauf ging es auf demselben Pfad in Richtung Parkplatz. Die Ausblicke waren jedoch nicht minder beeindruckend.
Weit unten im Tal entdeckten wir sogar die Unterkunft im Wadi Nakhar (Wadi Ghul), die wir gestern besucht hatten.
Mittlerweile war die Sonne am Himmel weitergezogen und die Hangseite des Wanderweges lag im Schatten. Wir überholten ein paar Wanderer und folgten dem Pfad mit Blick in den Canyon aufwärts.
Über Steinstufen und Geröll wanderten wir hinauf zum Parkplatz, den wir nach etwa einer Stunde Fußmarsch erreichten.
Da wir gerne noch einen Ausflug in das abgelegene Bergdorf Bald Sayt (oder auch Balad Seet) und den Snake Canyon unternehmen wollten, peilten wir das Ziel als nächstes an. Für 65 Kilometer prophezeite uns Google Maps eine Fahrzeit von fast 2 Stunden. Warum? Nun, das Bergdorf ist nur über Offroadpiste mit 4×4 zu erreichen.
Wir verließen daher das Jebel Shams Gebiet, fuhren bergab nach Al-Hamra und folgten einer Passstraße erneut bergauf.
Die Passhöhe erreichten wir nach 45 Minuten Fahrt. Weitere 45 Minuten lagen nun vor uns. Die Asphaltstraße ging von einem Aussichtspunkt mit Blick auf die Hajar-Berge in Schotter über.
Bergab folgten wir der schmalen Piste. Zum Glück gab es immer wieder ein paar Ausweichpunkte bei Gegenverkehr. 14 Kilometer Offroadpiste lagen vor uns.
Die Schotterstraße führte uns direkt unterhalb der massiven Felswand her. Wir hofften, dass kein Gestein abgehen würde.
Steil abwärts gelangten wir tiefer hinab in das Tal und konnten gleichzeitig den weiteren Straßenverlauf erkennen.
Immer wieder mussten wir dem Gegenverkehr ausweichen, der von unten hinauffuhr. Das war nicht immer so ganz so einfach. Zum Glück saßen in den meisten Jeeps Touranbieter, die uns Platz machten.
Enge Haarnadelkurven und die Steilheit der Piste erforderten Marcel fahrtechnisch einiges ab. Wie manche Omanis hier mit einem normalen Auto herunterfahren können, war uns ein Rätsel. Aber am Straßenrand standen immer mal wieder ein paar Mittelklassewagen, die ganz bestimmt kein 4WD hatten.
Wir gelangten tiefer und tiefer in die Schlucht. Da wir jedoch erst gegen 16 Uhr unser Ziel erreichen sollten, verzichteten wir auf allzu viele Stopps und spulten Kilometer um Kilometer ab. Da ich nicht wirklich Spaß an 4×4 Fahrten habe, wäre ich am liebsten schon wieder umgekehrt. Zumal uns die Zeit auch ein wenig im Nacken saß, denn um 18 Uhr wurde es dunkel.
Nach 10 Kilometern erreichten wir das Wadi Al Hajir. Hier endeten die Canyoning-Touren durch den Snake Canyon. Einige Touranbieter warteten auf ihre Gäste.
Wir hatten nun den tiefsten Punkt erreicht, passierten eine kleine Furt und fuhren auf der anderen Seite steil bergauf in Richtung Bald Sayt.
Für eine Besichtigung des Bergdorfs fehlte uns leider die Zeit, daher genossen wir den grandiosen Ausblick auf den Snake Canyon und die Berglandschaft. Für die Erkundung der Gegend sollte man sich am besten einen Tag nehmen. Da wir morgen jedoch die Hajar-Berge wieder verließen, fehlte uns die entsprechende Zeit.
Am Abzweig nach Bald Sayt folgten wir der Piste hinab nach Bimah – eine kleine Oase, in der man auch übernachten kann. Noch einmal warteten ein paar steile Passagen auf uns. Dann hatten wir das Dorf erreicht.
In den Snake Canyon selbst konnten wir von oben leider nicht hineinblicken aber die Fahrt hier hin hatte mit spektakulären Aussichten auf uns gewartet. Und wer Spaß an 4×4 Fahrten hat, ist hier bestens aufgehoben. Die Piste war nicht zu anspruchsvoll aber auch nicht zu leicht. Wir sind meist im 4H gefahren. 4L (permanenter Allradantrieb mit Geländeuntersetzung) haben wir aufgrund der guten Pistenqualität nicht genutzt. Vermutlich ist selbst 4H nicht ständig notwendig aber wir hatten dadurch ein besseres Gefühl an den Steilpassagen und einfach mehr Grip.
Aufgrund des Zeitdrucks bis zum Sonnenuntergang wendeten wir in der Oase und nachdem wir zahlreiche Jeeps an uns vorbeifahren lassen hatten, fuhren wir steil bergauf zum Abzweig nach Bald Sayt. Die Fahrt durch das Wadi Bani Awf konnten wir heute leider nicht mehr angehen. Hierfür sollte man sich mit Stopps und kleineren Wanderungen einen Tag Zeit nehmen. Einen passenden GPS-Track zur Orientierung haben wir bei www.outdooractive.de gefunden (Weiterleitung auf externe Seite durch Klick auf Link). Für die komplette Strecke von 70 Kilometern sind ungefähr 5-6 Stunden Fahrzeit einzuplanen.
Auf dem Rückweg wollten wir ein paar Foto- und Videostopps einlegen. Von der Anhöhe genossen wir daher noch einmal den Blick ins weite Tal.
Vorbei am Fußballplatz von Bald Sayt, den Audi für einen Werbespot hier oben bauen lassen hatte, fuhren wir hinab ins Wadi al Hajir.
Wir waren gespannt, wie gut uns der Nissan nun über die anspruchsvollen Bergauf-Passagen bringen würde. In 4L Modus und im eingelegten dritten Gang kamen wir gut voran. Die Piste war zwar sehr steil aber es befand sich kaum loses Geröll auf der Straße, so dass wir besser hinauf kamen als anfangs vermutet.
Gegenverkehr kam zum Glück nur noch selten.
An einer engen Kurve stieg ich aus und filmte das Spektakel mit der GoPro. Marcel kam allerdings auf der Piste schneller voran als ich hinterherkam und so rannte ich bergauf hinter dem 4×4 her. Zum Glück kam uns kein Fahrzeug mehr entgegen. So bescheuert können auch nur Touristen sein 😁.
Außer Atem setzte ich mich wieder ins Fahrzeug und filmte aus dem Fenster.
Wir kamen gut und vor allem viel schneller als gedacht voran. Der Ausblick auf die Berge im Licht der untergehenden Sonne war traumhaft und an geeigneten flacheren Stellen hielten wir für Fotos an.
Vorbei am Sharaf Rock Cliff, wo es sich mit Blick auf die Berge sogar wild campen lässt, erreichten wir nach einer Stunde Fahrt die Passhöhe und die Asphaltstraße.
Pünktlich zum Sonnenuntergang konnten wir den Tag mit Blick auf die Berge ausklingen lassen.
Nachdem die Sonne hinter den Bergen verschwunden war, setzten auch wir uns wieder ins Auto und erreichten nach einer halben Stunde Fahrt unsere Unterkunft in Al-Hamra. Ein langer, abwechslungsreicher Tag neigte sich dem Ende.