Spitzbergen: Eine Seefahrt, die ist lustig …

… eine Seefahrt, die ist schön, ja da kann man manche Leute an der Reling spucken seh’n… Ja, genau so war es bei meinen vergangenen Seefahrten. Aber ich lasse mich ja nicht einschüchtern und bis dato waren die Ausflüge trotz der Seekrankheit auch einfach zu schön, um darauf zu verzichten. Also habe ich mich vorab in einer Apotheke beraten lassen (Kaugummis haben bei mir überhaupt nicht gewirkt) und diesmal ein anderes Mittel vor unserer Seefahrt eingenommen. Wie sich rausstellte war heute ein perfekter Tag um das Medikament auf Herz und Nieren zu testen.

Wir hatten die Tour „Walrus safari“ von der Svalbard Adventure Group gebucht. Es sollte mit einem kleinen Boot (ca. 12 Personen) zur Prins Karls Forland Island gehen. Hier soll man die beste Chance haben Walrosse zu sehen. Diese Tour wurde vorher jedoch mehrfach, auf Grund der rauen See, abgesagt und auch heute war die See alles andere als ruhig.

Direkt nachdem wir auf dem Boot unsere Plätze eingenommen hatten und wir auf dem offenen Meer waren, wurde uns schnell bewusst, dass diese Tour nur was für seefeste Mägen war. Nach kürzester Zeit wurden die ersten „Kotztüten“ benötigt.

Und wie ging es mir? Ich hatte diesmal überhaupt gar keine Probleme. Nicole wurde leider immer ruhiger und man konnte sehen, wie sehr sie gegen die aufkommende Übelkeit ankämpfte. Zudem war ihr auch nicht ganz wohl bei dem Gedanken auf diesem kleinen Boot gefangen zu sein, während die Wellen über das Boot schwappten.

Die Wellen wurden höher und unserem Kapitän schnell klar, dass wir unser Ziel unter diesen Bedingungen nicht erreichen konnten. Er wollte uns gerade darüber informieren als eine ältere Dame lauthals erklärte, dass Sie mit ihrer Erfahrung in der Seefahrt glaubte, dass dieses Boot für diesen Wellengang nicht geeignet sei.

Die Gruppe war nun erst recht gespalten und einige wollten unbedingt zurück. Unser Kapitän fuhr daher Richtung Hafen. Da wir nun mit den Wellen fuhren, wurde es im Boot etwas ruhiger und wir erreichten den Hafen von Longyearbyen nach knapp 20 Minuten.

Uns wurde freigestellt ob wir vom Boot gehen oder ob wir nochmal rausfahren und eventuell die russische Arbeiterstadt Barentsburg und einen weiteren Gletscher ansteuern wollten. Während Nicole die Gunst der Stunde nutzte und auch erleichtert das Boot verließ, verblieben ich und 4 weitere Personen auf dem Boot.

Marcels Tag

Nach ein wenig Diskussion, welche Ziele im Bereich der heutigen Möglichkeiten lagen, hieß es dann erneut „Leinen los“.

Die noch verbleibenden Seefahrer wussten, auf was sie sich einließen. Kaum hatten wir den Fjord verlassen und die offene See erreicht, wurden wir ordentlich durchgeschüttelt.

Alle mussten ihre Sicherheitsgurte anlegen und für 1,5 Stunden hatten wir eine Achterbahnfahrt auf offenem Meer vor uns. Teilweise waren die Wellen so hoch (ca. 1-2 m), dass sie das komplette Boot unter sich begruben. Unser Kapitän blieb entspannt und meinte nur: „Das ist ein Spezialboot – sollten wir umkippen richtet es sich selber wieder auf“. Sehr beruhigend.

Zum Glück blieb mir und den anderen Passagieren diese Erfahrung erspart.

Wir erreichten einen Fjord, an dessen Ende zwei wunderschöne Gletscher ins Meer kalbten. Lustigerweise war die See hier ganz ruhig und der Himmel strahlend blau. Man könnte meinen, ich übertreibe meine Beschreibung über den Wellengang auf dem Meer. Aber nein, dem ist wirklich nicht so .

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Die Sonne schien und wir konnten unsere Mahlzeit, eine äußerst leckere Suppe, in unmittelbarer Nähe des Gletschers (250m Abstand mit dem Boot sind Pflicht) einnehmen. Zwischendurch hörte man das ununterbrochene Knacken und Donnern des abbrechenden Gletschereises. Auch beim dritten Mal immer noch ein besonderes Naturschauspiel.

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Nachdem wir alle unsere Fotokameras verstaut hatten und uns wieder fest an den Sitz gegurtet hatten, sollte unser nächstes Ziel Barentsburg sein.

Zuerst schien es auch so als würde sich das Wetter ein wenig gebessert haben. Wir konnten mit relativ hoher Geschwindigkeit durch die Wellen fahren und nach knapp einer Stunde Barentsburg sogar  am Horizont sehen. Auch der Kapitän meinte, dass wir bei unserer Geschwindigkeit vielleicht noch 30 Minuten bis zum Ziel bräuchten.

Leider verschlechterte sich die Wellensituation innerhalb von 10 Minuten so sehr, dass wir nun laut GPS 2,5 Stunden für dieselbe Strecke benötigen sollten. Somit blieb Barentsburg für uns unerreichbar und wir machten uns mit einem kleinen Zwischenstopp in einer verlassenen Bergarbeiterortschaft auf dem Rückweg.

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Nach 8 Stunden gingen wir glücklich vom Boot und waren froh dass wir alle diese Tour bis zum Ende machen konnten. Auch ich fühlte mich gut – die Tabletten schienen bei mir perfekt geholfen zu haben (Aber der Tag war ja auch noch nicht zu Ende).


Nicoles Tag

Ich hingegen verbrachte den Tag damit, mich von der morgendlichen Tour zu erholen. Nachdem ich meine Erstattung der Tour im Hotel beantragt hatte, lief ich zurück zur Pension. Schwankend und schwindelig war ich froh, mich endlich ins Bett legen zu können.

Schlafen konnte ich jedoch nicht. Erinnerungen an meine Jugend kamen auf, als man spät nachts betrunken ins Bett fiel und sich alles wie in einem Karussell drehte. Ja, so fühlte ich mich jetzt auch; nur ohne Alkohol.

Ich döste daher so vor mich hin und hoffte, dass sich das ungute Gefühl legte. Für heute abend hatten wir noch einen Kanuausflug gebucht. Selten habe ich mir gewünscht, dass eine Tour gestrichen wird aber heute war dem so. Ja ich hoffte auf schlechtes Wetter und Regen.

Die Tabletten gegen Seekrankheit hatten bei mir nur bedingt geholen.

Gegen Mittag begab ich mich etwas nach draußen. Bewegung und frische Luft taten bestimmt gut. Ich verbrachte die Zeit damit, ein paar Geocaches zu suchen. Erneut besuchte ich die Kirche und eine alte Kohlemine. So wirklich besser wurde es mit dem flauen Gefühl im Magen und dem Schwindelgefühl im Kopf jedoch nicht.

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Nach zwei Stunden lief ich zurück zur Pension und wartete auf Marcel.


Er traf gegen 16:30 Uhr ein und erzählte mir erstmal von seinem heutigen Tag. Die Tour sollte eigentlich um 15:00 Uhr zu Ende sein. Da hatten die Angestellten des Touranbieters wieder einmal alles gegeben. Aber das haben wir bei allen Touranbietern positiv in Erinnerung gehalten.

Wir aßen gemeinsam etwas und Marcel legte sich danach auch noch ein wenig hin. Anscheinend ein Fehler, denn als wir gegen 20:00 Uhr zu unserer Mitternachtssonne-Kayaktour aufbrachen, ging es ihm immer schlechter.

Insgesamt waren wir bei der heutigen Tour nur zu viert. Marcel und ich, ein Tourist aus Hongkong und unser Guide Maya. Nach einer Einweisung und dem Anziehen des Trockenanzugs und der wasserdichten Schuhe gings los.

Immer den Blick nach oben gerichtet – denn in der Nähe der Hütte brüteteten die uns bestens bekannten Küstenseeschwalben – begaben wir uns zu den Kayaks. Die Vögel waren wieder äußerst angrifffreundlich heute. Aber wenn man bedenkt, dass sie am Boden brüten, kann man das schon verstehen. Wir entdeckten sogar einige Jungtiere.

Wir schleppten die Doppelkayaks zum Wasser. Ganz schön schwer die Teile.

Maya half uns beim Einsteigen und erklärte uns das Lenken und das richtige Paddeln. Wir waren zwar in Venezuela schon einmal auf einen Kayak unterwegs aber das war eher so nach Lust und Laune und klappte auch nicht ohne Probleme. Ein paar Mal sind wir damals in die Büsche weil wir falsch gelenkt hatten . Bei knapp zwei Grad kaltem Wasser wollte man nicht unbedingt einen Lenkfehler machen.

Wir paddelten nun zum gegenüberliegenden Ufer. Die Wellen im Fjord waren zwar teilweise auch etwas höher aber das war noch im Bereich des Machbaren. Nur Marcel ging es von Minute zu Minute schlechter.

Nach 45 Minuten erreichten wir die andere Seite. Das war doch ganz schön anstrengend für die Arme wenn man es nicht gewöhnt ist. Wir hatten zwar eine kurze Pause auf dem Wasser eingelegt aber zu lange sollte diese nicht dauern, da man sonst wieder zurück getrieben wird.

Wir trugen die Kayaks aus dem Wasser und begaben uns mit Maya auf Endeckungstour der alten Arbeitersiedlung. Sie erzählte uns viel über die Landschaft und die Begebenheiten auf Spitzbergen. Lustig fanden wir den Hinweis, dass alles was hier an Holz oder Metall einfach so rumliegt historisches Kulturerbe ist und daher nicht weggeräumt werden darf. Man konnte also nie wissen, ob es sich einfach nur um angetriebenen Müll handelte oder tatsächlich um Überreste aus vergangener Zeit .

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Steil bergauf liefen wir zu einem alten deutschen Flugzeug, dass im Krieg an den Bergen zerschellt war. Von hier oben hatten wir einen tollen Blick auf Longyearbyen und die Umgebung. Zudem war uns jetzt auch nicht mehr kalt. Ich denke, dass war der eigentliche Plan dahinter. Denn als wir aus dem Kayak ausgestiegen waren, fingen wir schnell an zu frösteln. Wir waren nunmal in der Arktis .

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Marcel musste sich allerdings ganz schön zusammenreißen, da ihm schlecht war und er sich einfach nur elend fühlte. Dabei hatten wir heute richtig Glück mit dem Wetter. Die Sonne schien und die Chancen auf die richtige Mitternachtssonne schienen gut.

Maya ging mit uns zum Strand und zeigte uns ein altes Boot.

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Danach liefen wir zu einem Holzhaus, hinter dem wir heißen Kaffee/Sirup und Kekse bekamen. Marcel verzichtete allerdings auf etwas Süßes. Besser wars. Er hätte mal lieber auch auf dieser Tour noch die Seepillen nehmen sollen.

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Eigentlich war der Plan noch ein wenig im Fjord mit dem Kayak umherzuschippern und uns dann auf den Rückweg zu machen aber Marcel ging es so schlecht, dass er fragte, ob es in Ordnung wäre, auch jetzt schon zurück zu paddeln. Da wir nur zu dritt waren und der andere Teilnehmer sehr entspannt war, war das kein Problem.

Wir liefen zum Kayak und legten wieder ab. Nun, die Rückfahrt gestaltete sich so, dass ich fast die ganze Zeit alleine paddeln musste, oder wir so außer Takt waren, dass es super anstrengend war. Ein paar Mal musste ich eine Pause einlegen, da das ganz schön schwer war, ein Doppelkayak alleine nach vorne zu bringen. Aber eine gute Stunde später legten wir wieder am Strand an und begaben uns zur Hütte, wo wir uns umzogen.

Maya brachte uns zurück zur Pension und Marcel war froh, endlich schlafen gehen zu können. Wenngleich sich die Nacht auch nicht als sehr entspannend abzeichnete. Da ich mich den Tag über erholt hatte, war mir nur noch etwas schwindelig und ich schwankte beim Laufen.

Fasziniert war ich jedoch von der Mitternachtssonne (lt. Handy war es 00:23 Uhr), die so hoch stand, als wäre es früher Nachmittag. Dann hieß es allerdings auch für mich ab ins Bett. Am nächsten Tag ging es bereits wieder nach Hause.

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Am Abreisetag hatten wir noch ein wenig Zeit, da unser Flug mit SAS erst um 14:30 Uhr ging. Wir schliefen daher aus, frühstückten in Ruhe und checkten aus. Das Gepäck ließen wir im Guesthouse.

Da es uns beiden auch heute noch nicht so wirklich gut ging und alles schwankte (schon krass, wie lange so ein Gefühl anhält), setzten wir uns in ein Café in Longyearbyen und genossen die strahlende Sonne. Wehmut machte sich breit, denn so recht abreisen wollte von uns heute noch keiner. Besonders nicht bei dem tollen Wetter.

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Um 12:30 Uhr holte der Bus uns am Spitsbergen Hotel ab und brachte uns mit anderen Fluggästen zum Flughafen.

Da wir schon eingecheckt hatten und nur mit Handgepäck angereist waren, konnten wir gleich die Sicherheitskontrolle passieren und saßen die verbleibende Zeit in der Abflughalle ab.

Pünklich startete das Boarding und der Flieger brachte uns mit fantastischen Ausblicken auf Spitzbergen Richtung Heimat. Allerdings mussten wir auch heute in Tromsö und in Oslo umsteigen. Aber alles klappte hervorragend und um 21:30 Uhr landeten wir in Hamburg.

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4 Stunden Rückfahrt nach Hause im strömenden Regen und bei Dunkelheit sind jedoch alles andere als angenehm… Wir waren froh, um 01:30 Uhr endlich zu Hause zu sein…

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Ein grandioser Kurzurlaub an einem der für mich schönsten Orte neigte sich dem Ende. Spitzbergen, du hast mich in deinen Bann gezogen.